Donnerstag, 28. Juni 2018

Übergewicht bei Kindern: jedes sechste Kind in Deutschland ist zu dick

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Nina Stec

Die Tendenz zu Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen steigt in Deutschland seit den späten 1970er Jahren ununterbrochen an, Fachleute sprechen bereits von einer Epidemie. Derzeit sind fast 20 Prozent aller drei bis 19-jährigen Jungen und Mädchen übergewichtig, davon mehr als acht Prozent fettleibig (BMI ist höher als 30)

Der Lebenswandel von Kindern und Familien hat sich mit der zunehmenden Digitalisierung in den letzten 40 Jahren fortwährend verändert: Dadurch, dass die meisten Familien Fernseher und Computer zuhause haben, verbringen Kinder immer mehr Zeit vor diesen Geräten und bewegen sich zu wenig. Außerdem essen sie zu viel und zu ungesund und nehmen vor allem durch Zucker- und fetthaltige Lebensmittel und Getränke mehr Kalorien zu sich als sie anschließend verbrauchen.  

Fernsehen macht dick, weil man sich dafür nahezu gar nicht bewegen muss und im Gegensatz zum Grübeln über Schulaufgaben auch wenig gesitige Tätigkeit verlangt wird, sodass entsprechend kaum Energie verbraucht wird. Außerdem verleiten sowohl Fernsehen schauen als auch Konsole spielen zum Naschen. Das ständische Essen zwischen den drei Hauptmahlzeiten des Tages führt dazu, dass Kinder gar kein richtiges Hunger- und Sättigungsgefühl mehr haben. Das Einhalten von Essenspausen ist aber wichtig für eine gut funktionierende Verdauung. 

Dennoch sind elektronische Medien mittlerweile genau wie Süßigkeiten fester Bestandteil des Alltags von Kindern und Jugendlichen. Ein gänzliches Verbot durch die Eltern wäre bei den heutigen Möglichkeiten und angesichts möglicher „Trotzreaktionen“ des Nachwuchses eher kontraproduktiv. Stattdessen sollte ein verantwortungsbewusster und mäßiger Umgang mit Medien und Naschereien in der Familie vorgelebt werden. Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, der eingehalten werden sollte. Etwa 90 Minuten am Tag sollte sich ein Kind bewegen, was in Form von klassischen Sportaktivitäten, aber auch durch Toben und Spielen zuhause erreicht werden kann.  

Ein weiterer Grund, warum zu viel Fernsehkonsum und soziale Medien dick machen können, ist die dort angezeigte Werbung, die sich oft in attraktiver Gestaltung an Minderjährige richtet, wenn süße Getränke, Snacks und sogenannte „Kinderlebensmittel“ angepriesen werden, die meistens zu viel Zucker und Fett enthalten. Diese beeinflusst nachweislich Bevorzugung der Kinder von stark verarbeiteten, ungesunden und dickmachenden Produkten über weniger stark verarbeitete „Grundnahrungsmittel“.  

Kinder wachsen heute oft mit Fastfood auf und wissen häufig nichts mehr mit unzubereiteten Lebensmitteln wie rohem Gemüse anzufangen, da in den Familien immer weniger selbst gekocht wird, weil Fertiggerichte weniger Zeit und Mühe in Anspruch nehmen, was gerade berufstätigen Eltern gelegen kommt. Auch das Essen in der Schulkantine ist meistens auf schnell, billig und den Geschmack der Fastfood gewöhnten Schüler ausgelegt, die lieber Limonade als Wasser trinken. Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, für ein normales Körpergewicht und gesunde Zähne nicht mehr als 50 g Zucker pro Tag, besser sogar nur 25 g, zu sich zu nehmen, wird konsequent ignoriert. 

Übergewicht ist kein rein ästhetisches Problem, auch wenn übergewichtige Schüler häufiger gemobbt werden und deshalb verstärkt zu Depressionen neigen, sondern birgt auch ernsthafte Nachteile für die körperliche Gesundheit in sich. Das zu hohe Körpergewicht führt zu einer Überbeanspruchung des Bewegungsapparates und Schäden an den Gelenken. Bewegung fällt mit steigendem Körpergewicht schwerer, es kommt zu Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit in Geschwindigkeit und Ausdauer. Die Konsequenz ist, dass sich mollige Kinder noch weniger bewegen wollen. Außerdem verstärkt sich mit dem Übergewicht das Risiko, an Diabetes Typ-2 zu erkranken, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden und früher zu sterben. 

Rund 85 Prozent der betroffenen Kinder werden auch im Erwachsenenalter an Übergewicht und seinen Folgen leiden. Hält der derzeitige Trend an, wird in etwa 40 Jahren gut die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland übergewichtig sein. 

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