Donnerstag, 19. September 2019

Stellungnahme der Schulleitung zur Studienfahrt der Leistungskurse Mathematik und Physik nach Oslo und Kopenhagen mit dem Kreuzfahrtschiff AIDAbella – 18.09.2019


Stellungnahme der Schulleitung Carl-Schurz-Schule, 60596 Frankfurt am Main

Stellungnahme der Schulleitung zur Studienfahrt der Leistungskurse Mathematik und Physik nach Oslo und Kopenhagen mit dem Kreuzfahrtschiff AIDAbella – 18.09.2019

Während Thomas Koschwitz auf hr1 Kreuzfahrten verlost, polemisiert die Hessenschau am 16. September gegen angeblich unverantwortliche Schüler, die sich für eine Fahrt mit der AIDAbella nach Oslo und Kopenhagen entschieden haben.
Die Journalistin Sophie Spelsberg hat in ihrem Beitrag alles herausgeschnitten, was nicht in ihren reißerischen Beitrag passte – ein Beispiel für schlechten Journalismus, den ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht verantworten sollte. Denn in Wirklichkeit handelt es sich um eine Schulfahrt, die dem Ideal der CO2-Neutralität von allen Schulfahrten am nächsten kommt.

An dieser Stelle daher wesentliche Informationen, um die Diskussion zu versachlichen:

- Teilnehmer der Fahrt sind die Leistungskurse Mathematik und Physik der Carl-Schurz- Schule, zusammen 15 Schülerinnen und 18 Schüler, geleitet von Herrn Winn und Herrn Kaiser.
- Die Kurse fahren am Sonntag mit der Bahn nach Kiel und am Donnerstag zurück. Besucht werden Sehenswürdigkeiten wie der Skulpturenpark in Oslo und das Experimentarium in Kopenhagen. Die Schüler halten Vorträge zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten vor Ort. Gefahren wird bis auf den Montag in der Nacht.

- Die Fahrt wurde vor einem Jahr von den Schülern befürwortet, von den Eltern auf Elternabenden in geheimer Abstimmung gebilligt und vom Schulleiter genehmigt, da alle schulrechtlichen Bedingungen erfüllt waren.
- Das Schiff ist die AIDAbella. Die AIDAbella fährt nicht mit Schweröl, sondern mit schwefelarmem Diesel (0,5% Schwefelanteil), arbeitet mit einem sogenannten Scrubber (einer Filteranlage) sowie einem Katalysator, die zusammen 60% der Rußpartikel, 99% des restlichen Schwefeldioxids und 75% der Stickoxide abfangen.
- Das Schiff verfügt außerdem über einen Landstromanschluss, sodass in Kopenhagen wie in Oslo die Dieselmotoren abgestellt werden. In Oslo wird der Landstrom fast zu 100% durch Wasserkraft erzeugt; für Dänemark liegen uns derzeit keine Daten vor. Engpass ist derzeit noch der Kieler Hafen, der erst 2021 einen Landstromanschluss zur Verfügung stellen wird.
- Die Stiftung Warentest und die Organisation atmosfair haben die seriösesten Berechnungen über den Kohlenstoffdioxidausstoß vorgelegt. Danach liegt der Verbrauch bei 1500 Kilogramm CO2 pro Passagier und Woche. Da die Gruppe nur vier Tage mit dem Schiff unterwegs ist und die Liegezeiten mit Landstrom abzuziehen sind, gehen wir von einem realen Konsum von 600 kg pro Person aus. Über atmosfair berechnet sich der Betrag als Mittelwert auf 584 kg, wobei aber auch weniger fortschrittliche Schiffe einbezogen sind. Genau für 600 kg haben Lehrer wie Schüler Umweltzertifikate bei atmosfair eingekauft – lange bevor die Hessenschau berichtet hat. Von der Bahnfahrt abgesehen nähert sich die Kursfahrt damit der CO2- Neutralität.
- Auf dem Schiff sorgt ein Umweltoffizier, der dem Kapitän direkt zugeordnet ist, dafür, dass weder Abfälle noch Altöl ins Meer „entsorgt“ werden und Abfälle vermieden, wenn nicht vermeidbar sortiert und fachgerecht an Land entsorgt werden. Mit dem Umweltoffizier wird die Gruppe ein ausführliches Interview führen.
- Würden die Schüler mit der Fähre nach Oslo fahren, würde sich die Öffentlichkeit nicht empören. Die Fähren fahren aber mit Schweröl und höherem Tempo als die AIDAbella. Der Treibstoffverbrauch von Schiffen steigt aber exponentiell mit der Zunahme der Geschwindigkeit. Wahrscheinlich gibt es daher keine umweltfeindlichere Variante nach Oslo zu gelangen, als mit der Fähre oder dem Flugzeug. In den Medien hätte das aber keine Aufmerksamkeit erregt. Dass wir täglich Lebensmittel einkaufen, die mit Frachtschiffen nach Europa transportiert werden und die mit Schweröl fahren, scheint auch nicht weiter aufzuregen. Nein, es ist ausgerechnet die Fahrt mit einem der umweltfreundlichsten Schiffe weltweit.
- Der Beitrag der Hessenschau äußert sich an keiner Stelle zu Bahn- oder Flugreisen, die an Frankfurter Gymnasien als Abschlussfahrten nicht unüblich sind. An der Carl- Schurz-Schule gibt es im Jahr 2019 32 Fahrten, darunter drei Flugreisen nach Birmingham, Manchester (Leistungskurse Englisch) und Toronto (Maximum City Projekt mit Schüleraustausch). Die meisten Fahrten führen in die Region (Spessart, Rhön). Skifahrten gibt es nicht. Zwei Abschlussfahrten führen mit dem ICE nach Amsterdam bzw. Prag. Fahrten mit der Bahn sind aber keineswegs so „grün“, wie es durch Politik und Medien gerne dargestellt wird. Gerade für die Hochgeschwindigkeitsstrecken sind zahlreiche Tunnel gebaut worden. Jeder Kilometer Tunnelbau verbraucht etwa 30 000 Tonnen (!) CO2. Die Bahn fährt de facto weitgehend mit Kohlestrom und ist Deutschlands größter Verbraucher von Glyphosat. (Vgl. „Die Märchenbahn“, DER SPIEGEL 36 vom 31.08.2019, S. 56-59 und „Einfach oben fahren“, DER SPIEGEL 25 vom 15.06.2019, S.95). „...pro Passagier oder nach verbrauchtem Gewicht erzeugt kein Verkehrsmittel weniger CO2 als ein Schiff“, hat DIE ZEIT in ihrer Ausgabe vom 31.08.2017 gefolgert (ZEIT 36/2017, https://www.zeit.de/.../kreuzfahrtschiffe-co2-ausstoss-dreck )
- Die Schule begrüßt es außerordentlich, wenn über den ökologischen Fußabdruck von Klassenfahrten diskutiert wird und sich Gremien der Schule z.B. für den verbindlichen Kauf von atmosfair-Zertifikaten bei Fahrten entscheiden. Nur muss diese Diskussion sachlich geführt werden und alle Arten von Fahrten in den Blick nehmen statt populistischer Stimmungsmache zu folgen.
- Von der Hessenschau erwarten wir eine kritische Reflexion ihres missglückten Beitrags. Alle anderen Medien berichten differenziert und unterschlagen keine Argumente.