Stellungnahme der Schulleitung Carl-Schurz-Schule, 60596 Frankfurt am Main
Stellungnahme der Schulleitung zur Studienfahrt der Leistungskurse
Mathematik und Physik nach Oslo und Kopenhagen mit dem Kreuzfahrtschiff
AIDAbella – 18.09.2019
Während Thomas Koschwitz auf hr1 Kreuzfahrten verlost, polemisiert die
Hessenschau am 16. September gegen angeblich unverantwortliche Schüler, die
sich für eine Fahrt mit der AIDAbella nach Oslo und Kopenhagen entschieden
haben.
Die Journalistin Sophie Spelsberg hat in ihrem Beitrag alles
herausgeschnitten, was nicht in ihren reißerischen Beitrag passte – ein
Beispiel für schlechten Journalismus, den ein öffentlich-rechtlicher Sender
nicht verantworten sollte. Denn in Wirklichkeit handelt es sich um eine
Schulfahrt, die dem Ideal der CO2-Neutralität von allen Schulfahrten am
nächsten kommt.
An dieser Stelle daher wesentliche Informationen, um die Diskussion zu
versachlichen:
- Teilnehmer der Fahrt sind die Leistungskurse Mathematik und Physik der
Carl-Schurz- Schule, zusammen 15 Schülerinnen und 18 Schüler, geleitet von
Herrn Winn und Herrn Kaiser.
- Die Kurse fahren am Sonntag mit der Bahn nach Kiel und am Donnerstag
zurück. Besucht werden Sehenswürdigkeiten wie der Skulpturenpark in Oslo und
das Experimentarium in Kopenhagen. Die Schüler halten Vorträge zu verschiedenen
Sehenswürdigkeiten vor Ort. Gefahren wird bis auf den Montag in der Nacht.
- Die Fahrt wurde vor einem Jahr von den Schülern befürwortet, von den
Eltern auf Elternabenden in geheimer Abstimmung gebilligt und vom Schulleiter
genehmigt, da alle schulrechtlichen Bedingungen erfüllt waren.
- Das Schiff ist die AIDAbella. Die AIDAbella fährt nicht mit Schweröl,
sondern mit schwefelarmem Diesel (0,5% Schwefelanteil), arbeitet mit einem
sogenannten Scrubber (einer Filteranlage) sowie einem Katalysator, die zusammen
60% der Rußpartikel, 99% des restlichen Schwefeldioxids und 75% der Stickoxide
abfangen.
- Das Schiff verfügt außerdem über einen Landstromanschluss, sodass in Kopenhagen
wie in Oslo die Dieselmotoren abgestellt werden. In Oslo wird der Landstrom
fast zu 100% durch Wasserkraft erzeugt; für Dänemark liegen uns derzeit keine
Daten vor. Engpass ist derzeit noch der Kieler Hafen, der erst 2021 einen
Landstromanschluss zur Verfügung stellen wird.
- Die Stiftung Warentest und die Organisation atmosfair haben die
seriösesten Berechnungen über den Kohlenstoffdioxidausstoß vorgelegt. Danach
liegt der Verbrauch bei 1500 Kilogramm CO2 pro Passagier und Woche. Da die
Gruppe nur vier Tage mit dem Schiff unterwegs ist und die Liegezeiten mit
Landstrom abzuziehen sind, gehen wir von einem realen Konsum von 600 kg pro
Person aus. Über atmosfair berechnet sich der Betrag als Mittelwert auf 584 kg,
wobei aber auch weniger fortschrittliche Schiffe einbezogen sind. Genau für 600
kg haben Lehrer wie Schüler Umweltzertifikate bei atmosfair eingekauft – lange
bevor die Hessenschau berichtet hat. Von der Bahnfahrt abgesehen nähert sich
die Kursfahrt damit der CO2- Neutralität.
- Auf dem Schiff sorgt ein Umweltoffizier, der dem Kapitän direkt
zugeordnet ist, dafür, dass weder Abfälle noch Altöl ins Meer „entsorgt“ werden
und Abfälle vermieden, wenn nicht vermeidbar sortiert und fachgerecht an Land
entsorgt werden. Mit dem Umweltoffizier wird die Gruppe ein ausführliches
Interview führen.
- Würden die Schüler mit der Fähre nach Oslo fahren, würde sich die
Öffentlichkeit nicht empören. Die Fähren fahren aber mit Schweröl und höherem
Tempo als die AIDAbella. Der Treibstoffverbrauch von Schiffen steigt aber
exponentiell mit der Zunahme der Geschwindigkeit. Wahrscheinlich gibt es daher
keine umweltfeindlichere Variante nach Oslo zu gelangen, als mit der Fähre oder
dem Flugzeug. In den Medien hätte das aber keine Aufmerksamkeit erregt. Dass
wir täglich Lebensmittel einkaufen, die mit Frachtschiffen nach Europa
transportiert werden und die mit Schweröl fahren, scheint auch nicht weiter
aufzuregen. Nein, es ist ausgerechnet die Fahrt mit einem der
umweltfreundlichsten Schiffe weltweit.
- Der Beitrag der Hessenschau äußert sich an keiner Stelle zu Bahn- oder
Flugreisen, die an Frankfurter Gymnasien als Abschlussfahrten nicht unüblich
sind. An der Carl- Schurz-Schule gibt es im Jahr 2019 32 Fahrten, darunter drei
Flugreisen nach Birmingham, Manchester (Leistungskurse Englisch) und Toronto
(Maximum City Projekt mit Schüleraustausch). Die meisten Fahrten führen in die
Region (Spessart, Rhön). Skifahrten gibt es nicht. Zwei Abschlussfahrten führen
mit dem ICE nach Amsterdam bzw. Prag. Fahrten mit der Bahn sind aber keineswegs
so „grün“, wie es durch Politik und Medien gerne dargestellt wird. Gerade für
die Hochgeschwindigkeitsstrecken sind zahlreiche Tunnel gebaut worden. Jeder
Kilometer Tunnelbau verbraucht etwa 30 000 Tonnen (!) CO2. Die Bahn fährt de
facto weitgehend mit Kohlestrom und ist Deutschlands größter Verbraucher von
Glyphosat. (Vgl. „Die Märchenbahn“, DER SPIEGEL 36 vom 31.08.2019, S. 56-59 und
„Einfach oben fahren“, DER SPIEGEL 25 vom 15.06.2019, S.95). „...pro Passagier
oder nach verbrauchtem Gewicht erzeugt kein Verkehrsmittel weniger CO2 als ein
Schiff“, hat DIE ZEIT in ihrer Ausgabe vom 31.08.2017 gefolgert (ZEIT 36/2017,
https://www.zeit.de/.../kreuzfahrtschiffe-co2-ausstoss-dreck )
- Die Schule begrüßt es außerordentlich, wenn über den ökologischen
Fußabdruck von Klassenfahrten diskutiert wird und sich Gremien der Schule z.B.
für den verbindlichen Kauf von atmosfair-Zertifikaten bei Fahrten entscheiden.
Nur muss diese Diskussion sachlich geführt werden und alle Arten von Fahrten in
den Blick nehmen statt populistischer Stimmungsmache zu folgen.
- Von der Hessenschau erwarten wir eine kritische Reflexion ihres
missglückten Beitrags. Alle anderen Medien berichten differenziert und
unterschlagen keine Argumente.