Montag, 9. Oktober 2017

Ist das sog. „Clean Eating“ wirklich risikolos?

Christiane Jurczik

Clean Eating klingt nach Fitness und Leichtigkeit – und es klingt natürlich sehr clean, also sauber. Der Begriff mag in unseren Breiten trendig und neu klingen, in den USA hingegen ist er bereits über zwanzig Jahre alt. Es geht – wie der Name sagt – um die Reinigung der Nahrung. Natürlich wird sie nicht besonders gut gewaschen. Sie soll hingegen rein sein von künstlichen Zusätzen, rein von Auszugsmehlen und Zucker, und sie soll am allerbesten selbst gemacht sein.

Doch der britische Arzt Dr. Max Pemberton warnt in einem Gastbeitrag in der britischen Zeitung „Daily Mail“ vor der Trend-Ernährung Clean Eating. Diese Art der Ernährung sei alles andere als gesund, sagt er. Der Arzt behandelt in seiner Praxis immer mehr Fälle, die mit einer Essstörung in Zusammenhang stehen. Pemberton erzählt weiter, dass in vielen Fällen die meist weiblichen Patientinnen durch Clean Eating eine lebensgefährliche Essstörung entwickelt – und sich so in einigen Fällen fast zu Tode gehungert hätten.

Clean Eating ist in aller Munde und zurzeit ein echter Hype. Dabei ist der Ernährungstrend nicht neu. Was man früher "Kochen wie bei Großmutter" nannte, wird heute in Zeiten der Wellnessbewegung nochmal neu erfunden. Das "saubere Essen“ punktet mit regionalen, saisonalen, möglichst frischen und unverarbeiteten Produkten. Doch es hat auch seine Schattenseiten.

Doch oft versteckt sich viel Zwang in den Regeln, wie die "saubere" Ernährung auszusehen hat. Und nicht alles, was jemand oder eine Gruppe als "gesünder" und "nachhaltiger" definiert, ist es auch. "Egal, wie wir uns ernähren, immer steckt Chance und Risiko in dem, was wir verzehren", betonen Ärzte. Wichtig dabei ist, ein gesundes Mittelmaß zu finden.

Gesunde Ernährung kann zur Sucht werden

"Es ist durchaus möglich, dass der Wunsch nach 'cleanem' Essen zu einer Sucht wird. Mediziner sprechen dann von Orthorexia Nervosa, frei übersetzt: krankhaftes Gesundessen", erklärt Neumann. "Das trifft auf diejenigen zu, deren Gedanken unentwegt um gesundes Essen kreisen und deren Verhalten krampfhaft darauf ausgerichtet ist, nur die als 'sauber' deklarierten Lebensmittel zu verzehren und alles zu meiden, was den oft selbst erstellten Regeln nicht gerecht wird."

Wie bei vielen anderen Essstörungen drehe sich bei den Betroffenen fast alles nur noch um das Essen – beziehungsweise das „Nichtessen“. Die Sucht nach gesunder Ernährung gebe es schon lange, so der Arzt. Man nennt sie Orthorexie. Doch die Art und Weise, wie sich Jugendliche in sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook oder durch Promi-Vorbilder angetrieben in diese Idee hineinsteigerten, erreiche neue Ausmaße. Denn so sei das Problem allgegenwärtig, fast schon normal. Kranke würden ihre Krankheit erst spät erkennen und sich deshalb viel zu spät in Behandlung begeben. Immer mehr Menschen in Großbritannien begeben sich mit Essstörungen in Behandlung. So seien 1,6 Millionen Briten von einer Essstörung betroffen, erklärt der Arzt.

Die Mitschuld gibt der Mediziner auch sozialen Netzwerken, die die gefährliche Botschaft von dem vermeintlich gesunden Ernährungstrend verbreiten. Die britische Gesellschaft für Osteoporose warne ebenfalls, dass Clean Eating eine tickende Zeitbombe sei und viele junge Menschen, die den Trend jetzt praktizieren, später an dünnen und zerbrechlichen Knochen leiden könnten.

Mit Informationen aus der Berliner Zeitung vom 25.07.17