Dienstag, 15. März 2011

PID im Bundestag vertagt/Debatte geht weiter

Die erste Lesung zur Präimplantationsdiagnostik wird nicht wie vorgesehen am 17. März stattfinden. Aufgrund der Katastrophe in Japan wurde sie auf den 7. April verschoben.

Die zweite und die dritte Lesung – und damit auch die endgültige Abstimmung - werden voraussichtlich nach wie vor im Juni oder Juli stattfinden.

Indessen geht die Debatte über die PID weiter. Der ehemalige Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde hat für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Online-Veröffentlichung am 15. März 2011) eine lange Stellungnahme aus der Sicht eines Verfassungsrechtlers geschrieben. Eine Liberalisierung von PID steht aus seiner der Sicht im Widerspruch mit der in Artikel 1 des Grundgesetzen garantierten Würde des Menschen: „Ist eine gesetzliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) mit dieser Garantie vereinbar - in welchem Umfang, oder steht sie zu ihr in Widerspruch?“ Wer PID zulassen will, sagt – so Böckenförde - im Grunde, daß die Würde des Menschen sich in „Phasen“ aufteilen läßt mit unterschiedlichen Graden an Würde: „Die Würde, die ein fertiges Wesen auszeichnet, lässt sich nicht von seinem Lebensprozess abspalten, muss diesen vielmehr mit umfassen. Nimmt man nämlich eine bestimmte Phase dieses Lebensprozesses von der Anerkennung und Achtung, die dem Menschen von seiner Würde her geschuldet ist, aus oder sucht sie prozesshaft abzustufen, weil er doch erst ein Acht- oder Sechzehnzeller sei und zur ohnehin ungewissen Nidation noch nicht gekommen sei, reißt man ein Loch in die Entwicklung des einzelnen individuellen Menschen selbst. Soll die Achtung der Würde jedem Menschen als solchem gelten, muss sie ihm von Anfang an, dem ersten Beginn seines Lebens zuerkannt werden.“

Er widerlegt auch das übliche Argument der Befürworter, PID sollte erlaubt sein, da Abtreibung ja auch schon möglich sei: „Ein genetischer Defekt oder eine Krankheit allein kann nach dem Inhalt des Paragraphen 218a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs einen Schwangerschaftsabbruch niemals rechtfertigen. Die heute verbreitete Praxis ist ein faktischer Missbrauch der Vorschrift, und nur von daher kann dann die PID als „antizipierte PND“ erscheinen. Von solchem faktischen Missbrauch kann sich aber kein Argument für die Zulassung der PID ergeben. Soll die dargelegte Spannung aufgelöst werden, muss die Korrektur an der richtigen Stelle ansetzen, nämlich bei der ohnehin gebotenen stärkeren Berücksichtigung der Menschenwürde und des Lebensrechts des Embryos bei der Anwendung der Abtreibungsregelung.“

Ebenso hat die Juristen-Vereinigung Lebensrecht eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie sich deutlich gegen PID ausspricht: „Die PID ist der Sache nach eine missbräuchliche Nutzung der In-vitro-Fertili-sation und eine missbräuchliche, diskriminierende Behandlung menschlicher Embryonen. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, schon die bewusste Erzeugung von Embryonen mit dem Ziel der genetischen Selektion durch eine gesetzliche Regelung zu verbieten. Zumindest sind genetische Untersuchungen, die eine Selektionsentscheidung ermöglichen sollen, zu untersagen. Dies verlangt die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde, des Rechts auf Leben und des Dis-kriminierungsverbots.“

Ernst-Wolfgang Böckenförde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung