Mittwoch, 27. Februar 2008

Die CDU ist für den Linksrutsch mitverantwortlich

Die Öffnung der SPD für die Linke in den westlichen Bundesländern hat eine berechtigte Welle der Empörung provoziert, am heftigsten natürlich bei der CDU. Die Christdemokraten werfen dem Beck-Flügel Wort- und Tabubruch vor. Die Reaktion jetzt ist wesentlich stärker als bei der Öffnung der SPD hin zur PDS in den Neunziger Jahren. Während man der PDS als mildernde Umstände anrechnen kann, daß sie eine Regionalpartei ist, die mittlerweile an Pragmatismus gewonnen und sich dementsprechend etwas entideologisiert hat, ist die West-PDS, also die „Linke“, dezidiert links, reichlich mit kommunistischen Betonköpfen bestückt und angereichert mit den linkesten Dissidenten aus der SPD, die noch ideologische Positionen aus den frühen 70er Jahren vertreten.

Die CDU ist über diesen „Linksrutsch“ erbost und hat sogar angedeutet, daß die Große Koalition im Bund platzen könnte.

Wenn die „Linke“ tatsächlich im Westen salonfähig gemacht wird, wäre das ein paradigmatischer Wechsel in der politischen Kultur der Bundesrepublik. Wenn 18 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Partei, die im Herzen kommunistisch ist, zum „Zünglein an der Waage“ wird, wäre das eine historische Zäsur, nicht nur für Deutschland, sondern für Europa. Die Etablierung einer Partei wie die „Linke“ würde die deutsche Politik unsicherer und unkalkulierbarer machen. Deutschland würde zu einem „unsicheren Kantonisten“ werden ganz im Gegensatz zu den letzten 60 Jahren. Als wichtigstem Land in der EU kann das nicht folgenlos für Europa bleiben.

Die Union kritisiert diese Entwicklung, doch sie ist nicht unbeteiligt gewesen am Linksrutsch, den die Republik gerade erlebt.

Das aus verschiedenen Gründen.

Seit Jahren, besser gesagt, seit Jahrzehnten, hat die CDU immer mehr eminent christliche Positionen verlassen oder relativiert. Schon unter dem Generalsekretär Heiner Geißler hat sich die CDU in den 80er Jahren im Grunde genommen mit den Abtreibungsgesetzen der sozialliberalen Koalition abgefunden und selber immer mehr zweizüngig gesprochen. Auch wenn die CDU aufgrund ihrer damaligen Koalition mit der FDP den §218 nicht ändern konnte, hätte sie zumindest eine Politik führen können, die ein lebensbejahendes Klima gefördert hätte, wie das etwa viele Republikaner in den USA heute tun. Doch nicht einmal das. Die Lebensrechtler innerhalb der CDU haben sich zunehmend von ihrer Partei entfremdet und sind zu einer Art innerparteilicher Opposition geworden, weil sie sich nicht mehr in ihrer politischen Heimat fühlten. Das gilt auch in gewissem Maße für die Abgeordneten in Bund und Ländern, denen man nicht selten deutlich zu spüren gab, daß sie lieber ihren Mund halten sollten.

Dasselbe geschah mit weiteren Gesetzen aus der sozialliberalen Zeit: Blasphemieparagraph, Liberalisierung der Pornographie, Schulpolitik usw.

Gerade in den Themen, die für die christlich motivierten Wähler extrem wichtig sind, hat sich die CDU systematisch zum Schlechten entwickelt.

In letzter Zeit geschieht das auch noch mit einer der letzten Bastionen ausgesprochen christlich geprägter Politik, und zwar die Familienpolitik. Bis Ende der 90er Jahre hat die CDU trotz heftiger Anfeindungen von SPD und Grünen eine Politik vertreten, die die Familien unter Beibehaltung ihrer Autonomie gegenüber dem Staat stärken sollte. Nun, unter der Führung von Frau von der Leyen, hat sie auch diesen Weg verlassen und sich für eine regelrechte Verstaatlichung der Familie entschieden. Die Familienpolitik der gegenwärtigen Bundesministerin von der Leyen unterscheidet sich überhaupt nicht mehr von der ihrer Vorgängerinnen aus der SPD.

Möglicherweise meinte man, daß die christlich-motivierten Wähler ohnehin keine Alternative hätten und außerdem sei noch die CSU da.

Eine solche Politik ist kurzsichtig, denn auf Dauer kann eine Partei die Menschen nicht auf diese Weise an sich binden. Diese Wählerschichten resignieren irgendwann und werden immer „untreuer“. Eine Studie von Prof. Franz Walter, in der FAZ am 26. Februar abgedruckt, zeigt, daß die Wählerschichten, für die das Christentum noch eine Rolle spielt, sich mit der CDU immer weniger identifizieren und ihre Stimmen eventuell auch anderen Parteien geben. Prof. Walter behauptet, daß das für die CDU besonders verhängnisvoll sei, weil sie gerade diejenigen Wähler verloren hat, die sie früher sozusagen sicher in der Tasche hatte. Dadurch kommt die CDU in die unbequeme Situation, immer von neuem um die Gunst der Wähler buhlen zu müssen. Das führt zwangsläufig zu Beliebigkeit. Schlimmstenfalls hören solche politischen Milieus auf zu existieren.

An dieser Stelle muß man sich fragen, ob sich die Strategie der Union seit Konrad Adenauer, keine Partei rechts von ihr zuzulassen, nicht heute rächt. Gäbe es eine Partei, die die christlich-konservativen an sich binden würde, etwa eine bundesweite CSU, wäre sie wesentlich beweglicher, als sie es heute ist.

Genau das hat die SPD in den letzten Jahrzehnten gemacht. Nicht nur die West-Linken sind im Grunde genommen eine Abspaltung von ihr, sondern auch die Grünen. Auch bei den Grünen hat sich die SPD Führung entschlossen, diese anzuerkennen und salonfähig zu machen.

Die Union hat statt dessen jede politische Gruppierung rechts von ihr, manchmal sogar im vorpolitischen Bereich, mit aller Schärfe bekämpft.

Diese Politik ist selbst aus machtstrategischen Gründen nicht mehr erfolgversprechend. Entweder entschließt sich die Union, wieder dezidiert christliche Positionen zu vertreten – zumindest in den Themen, die für die christlich-motivierten Wähler existentiell sind, wie beispielsweise das Lebensrecht – oder sie läßt eine Partei rechts von ihr zu, beispielsweise eine bundesweite CSU.