Christine Jurczik
Ralph Kappelmeier,
Kriminalhauptkommissar bei der Münchner Polizei, beschreibt die Situation so:
„Viele denken beim Thema Gewalt nur an körperliche Auseinandersetzungen. Die
gibt es natürlich an Schulen auch, aber im Prinzip finden wir eine ganze
Palette an Gewalt. Es gibt verbale Gewalt in Form von Beleidigungen und
Beschimpfungen und es kommt psychische Gewalt vor wie beispielsweise Mobbing.
Weit verbreitet ist auch die generelle Ausgrenzung von einzelnen Schülern. Und
wir haben es mit sexueller Gewalt zu tun.“
Schon in Grundschulen wird immer wieder von Mobbing und Erpressung
berichtet.
Mobbing geht in der Regel
nicht nur von einer Person aus, sondern ist ein Gruppenphänomen. Dabei
schließen sich meistens mehrere Schüler zusammen und suchen sich ein
schwächeres Kind, das sie dann über einen langen Zeitraum hin wiederholt
schikanieren. Ute Schünemann, Oberärztin der Kinderstationen der kinder- und
jugendpsychiatrischen Klinik in Marsberg, bestätigt: „Zum organisierten Mobbing
gehört die Klassengemeinschaft, das heißt, es gibt meist nicht „den einen
Täter“. Zum Mobbing gehört letztendlich das Publikum.“ Frühes Erkennen und Eingreifen
ist nach Ansicht der Experten nötig. Das ist am leichtesten möglich, wenn sich
das Kind einem Erwachsenen anvertraut – also den Lehrerinnen und Lehrer oder
den Eltern. Andererseits ist es auch die Aufgabe der Erwachsenen und der nicht
am Mobbing beteiligten Mitschüler, auf Symptome von Mobbing zu achten. Je
offener alle Beteiligten mit dem Thema umgehen, desto früher können
Schülerinnen und Schüler, die andere mobben, erkannt werden. Wenn ein Kind erst
einmal richtig ausgegrenzt sei, dann gebe es wenige Möglichkeiten, daran
erfolgreich etwas zu ändern, meinen die Experten.
Ganz massiv nutzen
Schülerinnen und Schüler ihre Mobiltelefone und das Internet. Auch daraus
ergeben sich Formen der Gewalt, die man vor einem Jahrzehnt noch nicht gekannt
hat: „Cyberbullying“ nennt sich zum Beispiel das Mobbing per SMS, E-Mail oder
über Chatforen. Für die Kinder bedeutet dies, dass der Terror nach der Schule
nicht aufhört, sondern sie bis nach Hause begleitet, wo sie über SMS oder
E-Mails von ihren Mitschülern weiter beschimpft oder gehänselt werden.
In Internetforen werden eigene
Gruppen gegründet, um sich über einzelne Mitschülerinnen oder Mitschüler lustig
zu machen und sie herabzusetzen. Ebenfalls sehr drastisch sind so genannte
„Happy-Slapping-Videos“, die in der Schule von Handy zu Handy geschickt und von
den Kindern und Jugendlichen zum Teil mit Leidenschaft gesammelt werden. Auf
diesen kleinen Filmen sind beispielsweise Schulhofprügeleien zu sehen, die die
Kinder teilweise mit ihren Handys selbst aufnehmen. Oder es handelt sich um
Filme aus dem Internet, die zeigen, wie Passanten auf der Straße angegriffen
und verprügelt werden.
In eine ganz andere kriminelle
Dimension gehören die „Snuff-Filme“, die sich ebenfalls auf den Handys vieler
Jugendlichen finden. Sie gehen noch einen Schritt weiter. Snuff-Filme zeigen,
wie Menschen vor laufender Kamera getötet werden. Auch über das Internet finden
derartige Filme Verbreitung und werden von Schülern häufig von dort auf ihr
Handy geladen. Die Vermutung liegt nah,
dass sich Tabugrenzen bei Jugendlichen, die sich solche Videos häufig ansehen,
nach und nach auflöst. Die
Videos stimulieren ihre Fantasie. Eine Folge kann sein, dass ihre kulturell
antrainierten Hemmschwellen herabgesetzt werden.
Es sind sich wohl alle einig,
Eltern, Lehrer und Experten: Kinder brauchen Hilfe und Unterstützung im Netz.
Drei Viertel der Eltern in Deutschland machen sich
Sorgen über das Surfverhalten ihrer Kinder, das geht
aus dem aktuellen Jugendmedienschutzindex hervor.
Unter den Eltern machen 81
Prozent auch Facebook und andere soziale Plattformen für sicheres Surfen
verantwortlich. Immerhin drei Viertel der besorgten Eltern erwarten auch von
den Schulen (74 Prozent) und von der Politik (72) mehr Bemühungen für ein
kindersicheres Netz.
Mit Informationen aus: polizei-dein-partner.de (Gewerkschaft der Polizei)