Samstag, 11. August 2018

FDP fordert die Zulassung von Eizellenspende und Leihmutterschaft in Deutschland

Nina Stec

Die Reproduktionsmedizin entwickelt sich stetig weiter. Im Jahr 1982 wurde in Deutschland das erste Kind in Folge einer künstlichen Befruchtung geboren. Das „Retortenbaby“ wurde in der Öffentlichkeit mit gemischten Gefühlen – mit Begeisterung über den medizinisch-technischen Fortschritt einerseits, mit Unbehagen und ethischen Bedenken über die weitere Entwicklung von Fortpflanzung und Familie andererseits – aufgenommen. Neben die biologische Verwandtschaft zwischen Vater, Mutter und Kind trat plötzlich die Rolle des Samenspenders, oder in einigen Ländern, die dies erlauben, die Eizellenspenderin oder Leihmutter. In Deutschland sind sowohl die Eizellenspende als auch die Leihmutterschaft bisher durch das Embryonenschutzgesetzt verboten:

"Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,
2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt."

So steht es in Paragraph 1, Absatz 1 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) von 1990. Ärzte machen sich demnach strafbar, wenn sie eine Schwangerschaft mit dem Ziel herbeiführen, das Kind an Dritte weiterzugeben. Die Leihmütter und ihre „Auftraggeber“ machen sich dagegen nicht strafbar, jedoch ist die Vermittlung von Leihmüttern in Deutschland nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz verboten. § 1591 BGB besagt außerdem: Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“ Somit wäre die „Leihmutter“ in zivilrechtlichem Sinne Mutter des so entstandenen Kindes, obwohl sie biologisch in den meisten Fällen nicht mit ihm verwandt sein dürfte.

Während die Eizellenspenderin „nur“ Eizellen entnommen bekommt, ist es die Aufgabe der Leihmutter, das durch künstliche Befruchtung entstandene Kind auszutragen und nach der Geburt an die „Auftraggeber“, welche somit zu den „Eltern“ des Kindes werden, abzutreten.

Trotz Verbot kommen in Deutschland jedes Jahr 300 bis 400 Kinder nach Eizellenspende zur Welt. Der „Fortpflanzungstourismus“ in Länder, die diese Verbote nicht haben, wie Spanien, Tschechien, aber auch Thailand, USA und Indien, boomt. 

Die dort ausgewählten Eizellenspenderinnen und Leihmütter sind in Spanien und Tschechien oft Studentinnen, außerhalb Europas meistens arm und von existentieller Not betroffen. Ihre Motivation ist in den meisten Fällen materieller Natur, etwa 1000 Euro bekommt eine Europäerin für eine Eizellenspende. Neben Ausnutzung der schlechten wirtschaftlichen Lage dieser Frauen kann auch der Vorwurf der Missachtung ihrer gesundheitlichen Lage gemacht werden. 

Um die Chance auf einen „guten Embryo“ zu erhöhen befruchten Kliniken häufig mehr als 10 Eizellen pro Spenderin, die sie ihr auf einmal entnehmen. Um überhaupt so viele produzieren zu können, werden die Frauen einer Hormonbehandlung mit zahlreichen Nebenwirkungen unterzogen.

Auch die psychische Belastung der Frauen wird wenig beachtet: In Thailand weigerte sich etwa eine Leihmutter, das Baby nach der Geburt den Auftragsgebern zu überlassen, wurde jedoch rechtlich dazu gezwungen, da der „Vertrag“ einzuhalten war. 

Ethisch gesehen ist dieser Schritt inakzeptabel: Die „Wunscheltern“ werden zu Auftraggebern, die ein Geschäft mit der „Leihmutter“, die zur Dienstleisterin wird, abschließen, das Kind, das dabei entstehen soll, wird zur bestellten Ware. 

Mit der Argumentation, dass es in Deutschland schätzungsweise sechs Millionen ungewollt kinderlose Männer und Frauen gebe, die ohnehin alles ihnen Mögliche für die Erfüllung ihres Kinderwunsches täten, fordert die FDP den Abbau gesetzlicher Schranken in der Reproduktionsmedizin. 

Durch die Erlaubnis von Eizellenspende und Leihmutterschaft in Deutschland könne dem Fortpflanzungstourismus und somit der Ausbeutung wirtschaftlich schwächer gestellter Frauen ein Riegel vorgeschoben werden. Der Kinderwunsch solle kein Wirtschaftsmodell werden, deswegen sollen Eizellenspenderinnen und Leihmütter keine Bezahlung bekommen, sondern nur eine Aufwandsentschädigung erhalten, wenn sie ihre Körper aus „altruistischen Motiven“ für den Kinderwunsch anderer Leute zur Verfügung stellen. So wird es in der EU in Belgien, Dänemark und den Niederlanden geregelt. Außerdem sollen die Spenden nicht anonym erfolgen, da es für viele Kinder wichtig sei, ihre Herkunft, also alle, die in irgendeiner Weise an ihrer Entstehung beteiligt waren, zu kennen. 

„Das Kindeswohl hängt von der Liebe der Eltern ab, nicht von der Art der Zeugung“, heißt es dazu in ihrem Wahlprogramm. 

Die FDP fordert deshalb eine Reform des Familienrechts und spricht sich als einzige Partei im Deutschen Bundestag für die rechtliche Anerkennung von Mehr-Eltern-Familien aus.

Darüber hinaus fordert sie eine stärkere finanzielle Unterstützung für alle, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, also auch für homosexuelle Paare und Singles. Derzeit erhalten ausschließlich heterosexuelle Paare staatliche Förderungen bei Kinderwunschbehandlungen. Sie bekommen in den meisten Bundesländern die Hälfte der Kosten für die ersten drei Versuche der Fruchtbarkeitsbehandlungen erstattet und müssen bis zu 6000 Euro Eigenanteil pro Versuch dazuzahlen. 

Die FDP prangert an, dass sich viele dies nicht leisten können. Ungeachtet der Co-Finanzierung durch die einzelnen Bundesländer fordert die Partei, dass 25 Prozent der Gesamtkosten für die ersten vier Versuche vom Bund übernommen werden. Auch die künstliche Befruchtung mit fremden Samen, statt dem des eigenen Partners, und Maßnahmen der Kryokonservierung – Des Einfrierens weiblicher Eizellen für die spätere Befruchtung und Einsetzung – sollen staatlich gefördert werden. Ebenfalls soll die Altersbeschränkung auf Frauen zwischen 25 und 40 Jahren bei der künstlichen Befruchtung überdacht werden, da in der „heutigen Lebenswirklichkeit“ das Durchschnittsalter der Gebärenden immer weiter nach oben steige. 

Leihmutterschaft ist ein derart gewaltiger Angriff auf das Leben, auf die Würde der Frau und auf essentielle Grundrechte des Kindes, dass sich in Deutschland erfreulicherweise eine sehr breite Allianz gebildet hat, die am vollständigen Verbot von Eizellenspende und Leihmutterschaft festhält: die katholische Kirche und große Teile der Evangelischen Kirche in Deutschland und andere Glaubensgemeinschaften sowie Persönlichkeiten aus dem christlich-konservativen Lager (Birgit Kelle) wie aus dem Feminismus (Alice Schwarzer) gehören zu denen, die die Ausbeutung der Frau und die Reduzierung auf ihre Reproduktionsfunktion anprangern. Sogar die ansonsten in der Frage „Was ist Familie?“ äußerst links eingestellten Grünen befürworten die Forderungen der FDP nicht mehrheitlich.

Quellen: 

Brandes, Rainer, Umstrittene Spende, https://www.deutschlandfunk.de/kinderwunsch-umstrittene-spende.886.de.html?dram:article_id=400881, o.O. 2017. 
Corbin, Dakota, Leihmutterschaft: Mutter zum Mieten, https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/2018/03/14/leihmutterschaft-mutter-zum-mieten/, o.O. 2018. 
Menkens, Sabine,  FDP will künstliche Befruchtung für Singles und homosexuelle Paare, https://www.welt.de/politik/deutschland/article173068453/Kuenstliche-Befruchtung-FDP-will-Staatsfoerderung-drastisch-ausweiten.html, o.O. 2018. 
Newsdesk, Schwule Väter – Samenspender oder der beste Papa der Welt?, http://www.mannschaft.com/2018/05/samenspender-oder-der-beste-papa-der-welt-gedanken-ueber-den-schwulen-mann-zum-vatertag/, o.O. 2018. 
Richter-Kuhlmann, Eva, Reproduktionsmedizin: Ein Kind auf Bestellung,  https://www.aerzteblatt.de/archiv/187002/Reproduktionsmedizin-Ein-Kind-auf-Bestellung, o.O. 2017.
Staeck, Florian,  Was heißt hier noch Familie?, https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/medizinethik/article/862038/reproduktionsmedizin-heisst-hier-noch-familie.html, o.O. 2014.