Montag, 4. Juni 2018

Internetpornografie als Bestandteil des Alltagslebens von Kindern und Jugendlichen

Nina Stec

Die Warnungen von Wissenschaftlern werden zunehmend lauter: Immer mehr und immer jüngere Kinder und Jugendliche konsumieren regelmäßig und in steigenden Maße Pornographie: Nach Studien von Sexualforschern beginnt der Durchschnitt im Alter von etwa 12 oder 13 Jahren, Pornos anzusehen. Mädchen beginnen in der Regel etwas später und beschäftigen sich seltener mit Pornografie als Jungen.  Zehn Prozent von ihnen geben an, täglich Sex-Filme zu schauen, zwei Drittel schauen sie mehrmals im Monat, was nicht selten in einer „Pornosucht“, der Abhängigkeit nach immer mehr und härterem pornografischem Material, resultiert. Die Zahl der Fälle von Betroffenen, die stundenlang Pornografie anschauen, ist hoch.

Eine der Ursachen für diese alarmierende Situation ist natürlich das Internet. Es ist selbst für Kinder durch das Internet sehr einfach geworden, an entsprechendes Material heranzukommen. Über Computer und Smartphones mit mobilem Datenvolumen oder Wi-Fi ist Pornografie überall und jederzeit verfügbar und für Jugendliche leicht zugänglich: Altersprüfungen aus Websites, die Pornografie anbieten, können, falls vorhanden, einfach übergangen werden. Jugendliche tauschen sich untereinander aus und wissen genau, welche Websites kostenlos sind. Die Auswahl an Seiten und Inhalten ist enorm: Es gibt über acht Millionen Pornos verschiedenster Kategorien, der Konsument entscheidet durch Eingabe, was genau er sehen möchte. Neben dem aufgezeichneten „gewöhnlichen“ Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau werden auch Filme mit gewalttätigen, zoophilen und pädophilen Handlungen leicht zugänglich. 

Abgesehen von der Befriedigung des eigenen Sexualtriebes schauen Jugendliche Pornos, um sich „aufzuklären“. Sie möchten lernen, wie Sex funktioniert, um auf zukünftige sexuelle Begegnungen im eigenen Leben „vorbereitet“ zu sein. Sie können das Geschehen in den Sexfilmen nicht richtig einordnen und halten die gezeigten Szenen für „echte“ Situationen von Sexualkontakten. Dass Pornodarsteller normalerweise Schauspieler sind, die auf diese Weise ihr Geld verdienen und dass es bei den gefilmten Sexszenen irrelevant ist, ob zwischen den Beteiligten irgendeine Art von Sympathie und zwischenmenschlicher Bindung besteht, ist den jugendlichen Zuschauern meistens nicht klar. Auch dass Pornofilme eine Art von Sexualität zeigen, die vor allem auf die Interessen männlicher Konsumenten ausgerichtet ist und Frauen zu reinen Lustobjekten degagiert, verstehen sie nicht. Somit beeinflusst die Pornografie das Bild von Sexualität und Geschlecht in den Köpfen der Jugendlichen: Die oft sehr grobe Art und Weise, wie die Darsteller miteinander umgehen, wird zum zweifelhaftem Vorbild in Sachen sexuellen Umgang von Mann und Frau miteinander. Gefühle und Werte, wie die Einordnung der Sexualität in die Ehe, Liebe, gegenseitige Rücksichtnahme und Exklusivität bleiben im Porno auf der Strecke. Es sind unwürdige Bilder, die eine unpersönliche, rein auf die eigene Triebbefriedigung ausgelegte Form von zwischenmenschlicher Beziehung aufzeigen, die das Denken der jungen Zuschauer prägen. Gewaltpornos, die eine aggressive, auf Macht und Unterwerfung ausgerichtete Form von Sexualität zeigen, werden nicht selten unter Jugendlichen herumgereicht. Dabei werden Grenzen von Scham und Ekel ausgetestet und überschritten.

Die Jugendlichen haben oft keine Möglichkeit, das Gesehene zu verarbeiten, etwa weil sie sich schämen, etwas vor ihren Eltern zuzugeben, was sie sich angesehen haben, weil sie Angst vor Strafen wie Handyentzug haben, aber auch, weil die gesellschaftliche Akzeptanz mit öffentlich zur Schau gestellter Sexualität und auch Gewalt gestiegen ist und nicht wenige Erwachsene gleichgültig geworden sind, wenn minderjährige jugendgefährdende Produktionen anschauen.

Dabei sind die Folgen des Pornokonsums auf Kinder und Jugendliche gravierend: Studien aus Psychiatrie und Psychologie belegen, dass die oft gewalttätigen und frauenfeindlichen Darstellungen in der Pornografie das Verständnis von Sexualität, Liebe und Beziehung in der Gesellschaft beeinflussen. Genau wie der so leicht zugängliche Porno werden Sexualität und Sexualpartner für Heranwachsende zu etwas Wertlosen, beliebigen und verfügbaren. Darunter leiden vor allem junge Mädchen, denn viele Jugendliche glauben, dass es nicht nötig sei, vor dem Sexualverkehr die Zustimmung des Mädchens einzuholen, was zu Missbrauch unter Jugendlichen bis hin zur Vergewaltigung führt.

Da Jugendliche nicht in der Lage sind, sich selbst vor den schädlichen Einflüssen der Pornografie zu schützen, liegt es an den Eltern, einzugreifen und ihre Kinder nicht alles sehen zu lassen, was sie möchten.  Bestimmte Filtersysteme können etwa in Computern eingerichtet werden, die Kinder vor pornografischen und anderen schädlichen Inhalten fernhalten.  Neugierige, rebellische Kinder und Jugendliche in der Pubertät brauchen eine starke, moralische Leitung durch ihre Eltern, an der sie sich orientieren können, an Stelle von Verunsicherungen durch unangemessene äußere Einflüsse, um sich zu gesunden, zufriedenen Erwachsenen zu entwickeln, die in der Lage sind, verantwortungsbewusst mit ihrer Sexualität umzugehen und auf Liebe, Vertrauen und Beständigkeit ausgelegte Paarbeziehungen einzugehen.  


Quellen: 
Brüning, Anne; Beier, Klaus, Pornografie, "Ein unethischer Menschenversuch", http://www.fr.de/wissen/pornografie-ein-unethischer-menschenversuch-a-1032396, Frankfurt 2010.
Grohm, Patrizia; Martyniuk, Urszula, Wie Jugendliche mit Pornografie umgehen, https://www1.wdr.de/wissen/mensch/pornografie-jugendliche-100.html, o. O. 2017.
Maier, Melanie, Pornosucht, Wenn Porno zur Droge wird, https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.pornosucht-wenn-porno-zur-droge-wird.d377ab0a-c4f5-4f40-b7b7-0c7eb93ecf5e.html, o. O. 2017. 
O. A., Papst macht sich für Kinderschutz im Internet stark, https://www.kath.ch/newsd/papst-macht-sich-fuer-kinderschutz-im-internet-stark/, Rom 2017.
O. A., Wissenschaftlich erwiesen: Pornographie macht süchtig, http://kath.net/news/43149, Cambridge/London 2013.
Tempel, Tatjana, https://www.morgenpost.de/schueler/leben/article213831969/Warum-sich-Jugendliche-per-Porno-aufklaeren-und-Nacktbilder-verschicken.html, Berlin 2018.