Montag, 11. Dezember 2017

Gesunde Ernährung? Wie sich immer mehr Deutsche ernähren wollen und warum dabei die Kinder zu kurz kommen

Christiane Jurczik

Nicht einmal mehr in einem Viertel der Haushalte wird noch täglich warm gekocht. Trotzdem wollen sich alle ausgewogen ernähren. Ob das mit Hilfe von Insekten-Fleisch gelingt, ist nur eine der Fragen auf der gerade eröffneten Messe Anuga.

Immer mehr Deutsche legen Wert auf eine gesunde, nachhaltige Ernährung, wie die Forscher der GfK in einer Studie ermittelt haben. Der Anteil solcher Haushalte, die etwa eine hohe Affinität zu biologischen, fair gehandelten oder regionalen Produkten aufweisen, sei in den vergangenen zehn Jahren von 22 auf 29,3 Prozent geklettert, berichtete Robert Kecskes von der GfK in Köln. 

„Verbraucher wollen sich zunehmend ausgewogener ernähren“, sagt auch Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Häufiger gefragt sind auch Free-From-Produkte, also Produkte ohne Laktose, Zucker oder Gluten. Ebenso hoch im Trend die sogenannten Superfoods, die den Konsumenten einen gesundheitsfördernden Zusatznutzen versprechen.

Gleichzeitig haben Bio-Produkte inzwischen praktisch alle Haushalte erreicht, wie Kecskes berichtete. „Bio ist inzwischen Mainstream und wird von den Verbrauchern nicht mehr hinterfragt.“ Der Bio-Anteil an den Lebensmittelausgaben hat sich innerhalb von zehn Jahren nahezu verdoppelt auf 5,7 Prozent. Zuletzt wurde mit Bio-Lebensmitteln ein Jahresumsatz von 6 Milliarden Euro erzielt. Stärkerer Beliebtheit erfreuen sich auch vegetarische und vegane Produkte.

Zu oft bleibt die Küche kalt

Bei aller Gesundheitsorientierung bleiben die deutschen Küchen immer häufiger kalt. Nicht einmal mehr in einem Viertel der deutschen Haushalte wird noch täglich warm gekocht. Als Gründe gelten der steigende Außer-Haus-Verzehr und der Ausbau der Übermittagsbetreuung in Kindergärten und Schulen.

Die Essgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch feste Essenszeiten finden in vielen Familien seltener denn je statt. Anstelle selbst zubereiteter Speisen werden Burger, Riegel und Chips gegessen. Forscher warnen vor gesundheitlichen Folgen.

Man mag es kaum glauben – während viele Fernsehsender täglich Kochsendungen übertragen, verliert das gemeinsame Essen zu Hause immer mehr an Bedeutung. Burger, Döner, Riegel und Chips – die neue Esskultur der jungen Generation ist nicht mehr an feste Plätze gebunden.

Es wird nahezu pausenlos gekaut und überall gegessen (und getrunken!), auf der Straße, in Bussen und Bahnen, nebenbei beim Fernsehen und besonders gern im Kino. Experten warnen vor den Folgen der beunruhigenden Entwicklung.

„Wenn es das gemeinsame Abendessen in der Familie nicht schon gäbe – man würde es rasch erfinden, so gut funktioniert es!“, sagt Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer, Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm.
„Man sitzt beisammen, die Nahrungsaufnahme sorgt für lustvolle Stimmung und gedämpfte Aggressivität, und weil man ohnehin zusammen ist, kann man das tun, was Menschen ohnehin täglich mehrere Stunden tun (sollten), nämlich miteinander reden“.

Spitzer verweist im Fachblatt „Nervenheilkunde“ auf die Ergebnisse einer aktuellen US-Studie, bei der 18.834 Schüler im Alter zwischen 12 bis 18 Jahren anonym befragt wurden. Die Fragen bezogen sich auf psychische Probleme, Raufereien, Komasaufen und auf den Stress der Jugendlichen durch aggressives Mobbing in der Schule oder im Internet sowie auf die Häufigkeit gemeinsamer Mahlzeiten mit der Familie.

Die jungen Amerikaner fanden sich im Schnitt lediglich an 4,4 Tagen zu einem gemeinsamen Abendessen mit ihrer Familie ein. Je öfter aber gemeinsam gegessen wurde, desto geringer waren die Auswirkungen des Mobbings.

Spitzer berichtet: „Nimmt man alle psychischen Probleme (psychische Störungen und Drogenmissbrauch) zusammen, kann man eine Art Dosiseffekt des gemeinsamen Familienabendessens zeigen. (...) Die Autoren heben hervor, dass es hierbei nicht einfach um das Essen geht, sondern darum, dass der junge Mensch über sich und seine Probleme sprechen kann, dass ihm jemand zuhört. Es geht um das elterliche Nachfragen und Kümmern, also ganz allgemein um die soziale Unterstützung.“

Mit Informationen aus der  FAZ vom 07.10.17