Dienstag, 10. Oktober 2017

Gender und die politisch korrekte Wissenschaft

Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft fördert großzügig die sog. Gender-Studies. Foto: Ansgar Koreng Lizenz CC BY 3.0 de, Wikimedia Commons
Tobias Großbölting

 „Gender Studies“ sind gesellschaftlich höchst umstritten. Denn bequeme Ideologie-Implementierung war den Genderisten an der Universität noch immer wichtiger als mühsamer Erkenntnisgewinn. Doch auf öffentliche Gelder konnten sich die im Staatsapparat gut vernetzten Genderisten stets verlassen. Nun weiten sie die Kampfzone auf die Naturwissenschaften aus.

Sogenannte „Gender-Studies“ werden mit üppigen Forschungs- und Steuergeldern alimentiert. Ihr gesellschaftlicher Nutzen ist höchst umstritten. Nun fördert das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) ein neues Verbundprojekt unter dem Titel „Gendering MINT digital – Open Science aktiv gestalten“ mit rund 840.000 Euro Steuergeld, das am 1. Dezember 2017 startet und auf drei Jahre angelegt ist. (http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2017/genderkompetenzen-online-vermitteln)

Schon der Name des Verbundprojekts verrät eine typische Taktik der Genderisten: Man nehme Wortneuschöpfungen, vermenge sie mit englischen Versatzstücken aus dem Marketingjargon und füge dem Ganzen noch die eine oder andere technokratische Abkürzung aus dem Politsprech hinzu – und fertig ist das neue Wortungetüm! Der Zweck dahinter: einer aggressiven Ideologie den Tarnanstrich wissenschaftlicher Differenziertheit geben; aber auch: Unnahbarkeit herstellen und Ehrfurcht erzeugen mittels einer neuen Herrschaftssprache, die nur noch Experten oder Leute mit gesundem Menschenverstand entschlüsseln können; sowie Vorgaukeln von Internationalität und modernem Trendbewusstsein durch das sogenannte „Denglisch“.

„Gendering MINT digital“ soll, wie es so schön heißt, Universitätsstudenten für „Genderperspektiven“ in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) „sensibilisieren“. Koordiniert wird das Projekt vom „Zentrum für Anthropologie und Gender Studies“ (ZAG) der Universität Freiburg. Daran beteiligt sind auch das „Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien“ der Berliner Humboldt-Universität und die „Fakultät für Medien und Informationswesen“ der Hochschule Offenburg. Die Projektkoordinatorin, Frau Dr. Marion Mangelsdorf vom Freiburger ZAG, die sich mit „Performanzen des Posthumanen“ beschäftigt und ihre Doktorarbeit zum Thema „Wolfsprojektionen: Wer säugt wen? Von der Ankunft der Wölfe in der Technoscience“ verfasst hat, verfolgt das Ziel, erstens „die Genderkompetenzen in MINT zu stärken“, zweitens „zu einem Kulturwandel in Forschung und Lehre (…) beizutragen“ und drittens, „die Chancengleichheit voranzubringen“. De facto ist diese „Chancengleichheit“ in den Universitäten zwar schon seit langer Zeit Realität, aber Frau Mangelsdorf nimmt wahr, wie sie in der Lehrbroschüre „Gendering MINT“ vom 21. Mai 2015 betont (https://www.genderstudies.uni-freiburg.de/lehre/leitfaeden-und-handreichungen/lehrbroschuere-gendering-mint/view), dass, anders als in der „Vorlesung zur Sozial- und Kulturgeschichte der Geschlechterverhältnisse mit Lektürekurs“, „die Studierenden in die MINT-Vorlesung nicht mit derselben Selbstverständlichkeit, sondern mit vielen Fragen und Befürchtungen“ hineingehen. Nun gehören aber gerade kritisches Hinterfragen und auch die Neubewertung von Selbstverständlichkeiten durch eigene Beobachtungen zum Grundrepertoire wissenschaftlichen, zumal naturwissenschaftlichen Arbeitens. Ob bei der wissenschaftlichen Problembewältigung eine Sensibilisierung für gefühlte Ungerechtigkeiten eine zielführende Methode zum Erkenntnisgewinn ist, darf stark bezweifelt werden. Zumal wenn dabei das Sentiment einer individuell wahrgenommenen Perspektive allgemeingültig verabsolutiert wird, sind dem politischen Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Frau Dr. Mangelsdorf gibt es auf ihrer Homepage ganz offen zu; ihr Prinzip, nach dem sie verfahre, sei: wissenschaftliche „Methoden dekolonisieren, Partizipation fördern“.  Mangelsdorf bringt dabei soziologische und sprach- und diskurstheoretische Instrumentarien, dazu die Biographieforschung ins Spiel, will aber von der Anwendung naturwissenschaftlicher Instrumentarien nichts wissen. Auf diese Weise sollen nun Lehrmodule mit Video-, Audio-, Bild- und Textmaterialien konzipiert werden. Sie sollen darauf abzielen, „diskriminierenden Auswirkungen von Technik aufgrund geschlechterstereotyper Vorstellungen entgegenzuwirken“. Nur: Die entscheidende Frage ist doch, ob es überhaupt Aufgabe der Wissenschaft ist, sich mit derlei Fragen intern auseinanderzusetzen, die eigentlich außerhalb ihres Fachgebietes anzusiedeln sind. Wenn selbst die wissenschaftliche Methodologie „dekolonisiert“, also die wissenschaftlichen Instrumente von ihren alten Vorgaben befreit und umgewertet werden sollen und dabei Partizipations- bzw. Teilhabe-, nicht aber Erkenntnisgewinn im Vordergrund stehen, fragt man sich allen Ernstes:  Warum wehrt sich niemand in den MINT-Fächern gegen solche verdeckten Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit, die unter dem Deckmantel von Gender und interdisziplinärer Vernetzung daherkommen?

Und, man fragt sich auch, warum Genderisten nicht akzeptieren können, dass Frauen sich mehrheitlich und aus freien Stücken dazu entscheiden, keine MINT-Fächer zu studieren. Doch anstatt ihre Erkenntnisse wissenschaftlich auf der Beobachtung des natürlichen Faktums aufzubauen und anzuerkennen, dass es in der natürlichen Schöpfungsordnung vorgegebene, also deterministische Strukturen gibt, die sich nicht ignorieren lassen, stellen Genderisten wie Frau Mangelsdorf solche Beobachtungen erstens grundsätzlich und zweitens mit ihren „dekolonialistischen“ Inquisitionsinstrumenten in Frage. Denn die Natur und damit auch die Naturwissenschaften laufen der eigenen ideologischen Vorgabe zuwider: „Gemeinsamer Nenner“ müsse es nämlich sein, so Mangelsdorf in einer „Gendering MINT“-Lehrbroschüre aus dem Mai 2015, „sich gegen einen biologischen Determinismus auszusprechen, der Geschlechterdifferenzen essentialisiert und damit Ungleichverhältnisse festschreibt“.

Es ist ein Faktum, dass in den MINT-Fächern der Frauenanteil gering ist. Nur fragt man sich auch hier wieder, warum Genderisten wie Frau Mangelsdorf, wenn sie sich schon darüber beklagen, nicht auf die nächstliegende Erklärung für jenes Desinteresse kommen. Könnte es nicht sein, dass die meisten Frauen schlichtweg kein Interesse am Studium von MINT-Fächern haben? Wenn ein leicht gestiegener Frauenanteil in den MINT-Fächern in den letzten Jahren dem zu widersprechen scheint, ist der Erfolg daran wohl am wenigsten auf die Gender-Studies zurückzuführen. Wer ein MINT-Fach studiert, kann später im Beruf eher darauf bauen, mehr finanziellen Spielraum zur Verfügung zu haben, durch unbefristete Arbeitsverträge privat längerfristig zu planen, aber auch eigene Ideen durch größere Gestaltungsspielräume durchsetzen. All das sind aber auch Gründe, die die Fächer für Männer noch attraktiver machen als bisher.

Selbstverständlich muss das naturgemäß auch die Begehrlichkeiten der Genderisten wecken, die hier, stets in guter Absicht unterwegs, im Sinne einer politisch korrekten Wissenschaft allzu gerne regulierend und „dekolonisierend“ eingreifen. Größter Trumpf der Genderisten ist dabei, dass sie von vielen vernunftorientierten und sachbezogenen, technokratischen und strukturkonservativen Pragmatikern, die gerade unter den Naturwissenschaftlern und Studenten in den MINT-Fächern zuhause sind, nicht ernst genommen werden. Damit aber unterbleibt zu oft eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Inhalten, die von Genderisten mit viraler Geschmeidigkeit, meist durch pseudowissenschaftliche Kampf- und Schlüsselwörter talismanischer Prägung, durch die Hintertür im Unterbewusstsein vieler Köpfe platziert werden. Der Gender-Ideologie gilt es daher ihr die wissenschaftliche Tarnkappe vom Haupt zu reißen, damit das Ausmaß ihrer ganzen Gefährlichkeit sichtbar wird.