Dienstag, 10. Februar 2015

Facebook: Ein Paralleluniversum dauerhafter sozialer Überwachung/Neue wissenschaftliche Studien

Der Mensch ist nun mal zuallererst ein soziales Wesen. Und als solches sortiert er und bewegt sich in Gedanken von der Gegenwart ins Gestern bis hinüber in die nahe Zukunft. Doch was macht Facebook eigentlich mit dem Menschen – wie verändert es uns - und vor allem das Denken unserer Kinder?

Amerikanische Wissenschaftler haben untersucht, dass die Freunde-Anzahl idealerweise 302 Personen beträgt. Also ein Kontakt mit einer großen Zahl von Menschen, denen man sich zuwendet, mit denen man mehr oder weniger in dauerhaftem Kontakt steht, denen man aber unmöglich mit den herkömmlichen Mustern zwischenmenschlicher Interaktion begegnen kann. Sind hier Verhaltensweisen in einer Weise verändert worden, die alles auf den Kopf stellen, was bisher üblich, was mehr oder weniger im Menschen selbst verankert war?

Wie weit verändert Facebook tatsächlich das soziale Verhalten? Die New Yorker Soziologin Prof. Sherry Turkle warnt in ihrem Buch „Alone Together“ sogar vor menschlichen Beziehungen im Online-Netzwerk. Sie ist sich sicher, dass neue Technologien das menschliche Innenleben verändern und unsere psychischen Strukturen umprägen: „Die unerbittliche Verbundenheit führt zu einer neuen Einsamkeit, zu einer „emotionalen Entwurzelung“.

Sicher bleibt, alle Aussagen zu Facebook sind mit Vorsicht zu genießen, bedenkt man den intensiven Suchtfaktor. Forscher der Universität Maryland untersuchten das Verhalten einer Gruppe von Studenten, die einen Tag lang ohne elektronische Medien auskommen mussten. Ergebnis: Vor allem der fehlende Kontakt zu Facebook führte bei vielen zu schlechter Laune und Missstimmungen. Das Erstaunliche: Dieses Gefühl setzte sich sogar im öffentlichen Raum unter Menschen fort, mit denen man durchaus hätte ins Gespräch kommen können.

Dabei gilt zu bedenken, dass Facebook-Sucht eine Sucht ist, die man im Vergleich mit den meisten Süchten am umfangreichsten befriedigen kann. Einen tatsächlichen Entzug an sich selber festzustellen ist also kaum möglich: Selbst wenn man vom Anbieter gesperrt werden würde, ist eine Neuanmeldung unter anderen Vorzeichen jederzeit möglich.

Das Gehirn in einer Zeitschleife
Die Hirnforscherin Baroness Greenfield warnt explizit vor Facebook. Die intensive Teilnahme könne die Persönlichkeit der Anwender verändern. Und zwar nicht etwa zum Besseren hin. Susan Greenfield erklärt im Gespräch mit dem Magazin „Stern“: „Es ist fast so, als wären diese Menschen in einer Identitätskrise. Es hält das Gehirn gewissermaßen in einer Zeitschleife. Menschen scheinen nicht mehr in der realen Welt zu leben, sondern in einer Welt, wo nur zählt, was andere Menschen über einen denken und ob sie etwas anklicken können. Man muss die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft bedenken, wenn Menschen - im Besonderen unsere Kinder - sich mehr Gedanken darüber machen, was andere über sie denken, als was sie von sich selbst halten.“ Durch soziale Netzwerke geben wir unsere Individualität auf und unsere Denkweise wird immer kindlicher.

Noch prägnanter hat dies Nicholas Carr in seinem internationalen Bestseller mit dem sperrigen Titel „Wer bin ich, wenn ich online bin …: und was macht mein Gehirn solange? – Wie das Internet unser Denken verändert“ zusammengefasst. Für den IT-Experten „bewirkt bereits eine Onlinestunde am Tag erstaunliche neurologische Prägungen in unserem Gehirn“.

Und wer von denen, die regelmäßig auf Facebook unterwegs sind, oder noch besser: dort nicht unterwegs sind, aber regelmäßig mit Leuten zusammenkommt, die neuerdings auf Facebook sind, will das ernsthaft bezweifeln?


Soziale Kontakte auf analoger Ebene sind missverständlicher geworden. Reduzierte Verhaltensweisen, überhöhte Geschwindigkeiten, die Jagd nach Anerkennung; nach „Likes“, die auf Facebook zu Standard-Verhaltensweisen geworden sind, haben im analogen Leben kaum eine Bedeutung. Im Gegenteil, alles erscheint auf einmal viel komplizierter und unaufgeräumter.

Der Praxis-Test mit passionierten Facebookern zeigt obendrein einen erstaunlichen Verlust an rationalem Denken. Likes werden als realistische Beurteilung des 'Gelikten' missinterpretiert. Noch mehr natürlich fehlende Likes oder Kommentare. Sozialer Druck entsteht. Da wird dann schon mal ein vielbeachteter „Freund“ diskret angeschrieben, ob er nicht dieses oder jenes „liken“ und/oder kommentieren könnte, um einen Anstoß für andere zu geben oder gleich mal das Foto, das Posting, die Stellungnahme zu irgendeiner anderen Stellungnahme oder den gerade entdeckten Internet-Link auf der Seite dieses oder jenes Freundes zur Vermehrung des eigenen Standings zu posten. Danke dir. Oder: I like!

Mit Material aus Bilde.de und The European