Dienstag, 27. Januar 2015

Hamburg: Lernen mit Laptop & Co? - zunehmende Skepsis in den USA

Die Informationsfluten haben ohne Zweifel negative Auswirkungen auf unser Gehirn - besonders nehmen dabei Kinder Schaden. Trotzdem wird das Projekt „Start in die nächste Generation“ nun doch nicht gestoppt. In Hamburger Schulen soll in Zukunft also mit eigenen Laptops, Tablets und Co. gelernt werden, angebliche Bedenken wurden zurückgewiesen.

Im Rahmen des Vorhabens soll das Medienwissen der Schüler erweitert werden, es geht um Analyse und Bewertung, und darum, Antworten auf Fragen zum Urheberrecht oder dem Recht am eigenen Bild zu finden. Auch die Sicherheit in sozialen Netzwerken ist ein Thema. Spezielle Programme, wie Tabellenkalkulation im Mathe-Unterricht, Bildbearbeitung in Kunst oder Sequenzen im Musikunterricht, sollen das Arbeiten im Schulunterricht in Zukunft mitgestalten.

Für das Projekt, an dem rund 1300 Schüler teilnehmen sollen, beziffern sich die horrenden Kosten auf knapp 900 000 Euro. Dies ist schon eine beachtliche Summe, wenn man sich die Zustände an den Schul-Toiletten ansieht, in denen es weder Toilettenpapier noch Seife gibt…

Es geht immerhin um die wertvollsten Firmen der Welt und deren Umsatz: Google, Microsoft, Apple, IBM, Facebook. Nachdem in jedem Haushalt schon drei Computer stehen, geht es jetzt darum, dass an Schulen und Kindergärten auch noch Informationstechnik angeschafft werden soll. Damit im Gehirn Lernprozesse stattfinden brauchen Kinder aber das reale Leben. Computer sind in Schulen Lernverhinderungsmaschinen.

Wenn die digitalen Medien wirklich so gefährlich sind – ist es dann nicht sinnvoll, dass Kinder lernen, mit diesen Gefahren umzugehen?

Prof Spitzer: Nein, das schadet ihnen! Alkohol ist Teil unserer Kultur. Alkohol macht süchtig. Betreiben wir Alkohol-Pädagogik in Kindergärten und Grundschulen? Nein! Weil es der Entwicklung junger Menschen schadet, Alkohol zu konsumieren. Und es schadet ihnen ebenfalls nachweislich, früh Medien zu konsumieren. Wir wissen, dass der Medienkonsum bis zum zweiten, dritten Geburtstag zu Sprachentwicklungsstörungen führt. Wir wissen, dass Medienkonsum in Kindergärten die Bildungsbiografie maßgeblich negativ beeinflusst, dass er zu Aufmerksamkeitsstörungen in der Schule führt. Wir wissen, dass eine Playstation in der Grundschule zu Schulproblemen und massivem Einbruch im Lesen und Schreiben führt. Wir wissen, dass ein Computer im Jugendzimmer – das zeigen unter anderem die Pisa-Daten – die Schulleistungen verschlechtert. Das alles ist durch gute wissenschaftliche Untersuchungen belegt, erklärt in einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger, vom 04.12.14, Prof. Manfred Spitzer, ärztlicher Direktor für Psychiatrie der Universität Ulm.

Wir könnten aus den Erfahrungen von anderen lernen

Denn ausgerechnet in den Vereinigten Staaten, dem Weltzentrum des technischen Fortschritts mehren sich die Zweifel an Hightech im Klassenzimmer. "Bei uns lautete die Devise stets: technology first. Das ändert sich. Nun heißt es: academic first", sagt Schuldirektor Tony Davis.
Dass seine Schule eine der ersten ist, die Laptops aus dem Klassenzimmer verbannt, erstaunt umso mehr. Denn bisher galt die Liverpool High im US-Bundestaat New York als technologisches Vorzeigeprojekt, ausgezeichnet mit vielen Preisen für den Einsatz neuer Medien. Aus dem ganzen Land reisten Bildungsforscher und Schulleiter in die Kleinstadt am Ontario-See, um von diesem Beispiel zu lernen.

Doch nach der Euphorie der letzten Jahre zieht nun Ernüchterung in die kargen Flure der Schule mit 2000 Schülern und 250 Lehrern. "Wir haben unsere Klassenzimmer mit Technik überflutet und denken jetzt erst darüber nach, was überhaupt sinnvoll ist", sagt Davis. Statt zum Lernen, missbrauchten die Teenager die Laptops, um sich Pornos auf ihre Rechner zu laden und die Seiten lokaler Firmen lahmzulegen. Ihre Schulleistungen sackten in den Keller.

"Die Dinger waren cool", sagt Andy, 16, "in Mathe habe ich mir alle drei Folgen von 'Herr der Ringe' gegönnt." Eine Mitschülerin erzählt, im Unterricht sei es dank der Computer tatsächlich ruhig gewesen, niemand habe mehr geschwatzt - austauschen konnte man sich ja über Chatprogramme. "Vielen diente der Laptop vor allem als riesengroßer MP3-Player", sagt der deutsche Austauschschüler Benedikt, 17. "Wir haben uns Kram von P. Diddy, 50 Cent und den Arctic Monkeys auf die Rechner gezogen." Dass es an seiner Berliner Schule nur einen Computerraum mit alten Pentium-2-Rechnern gibt, findet Benedikt nicht weiter schlimm: "Laptops machen den Unterricht auch nicht besser."

Dabei hat die US-Regierung über Jahre Milliarden in Hightech-Schulen gepumpt. Erhofft hat man sich nicht weniger als die Revolution des Lernens: Die schöne neue Schule sollte keine Versager mehr kennen, nur noch Sieger ausspucken. Doch der Erfolg blieb aus. Eine neue Studie des amerikanischen Bildungsministeriums belegt, dass es für die Leistung der Schüler keinen Unterschied macht, ob im Unterricht neue Medien eingesetzt werden oder nicht.

Quelle: Frankfurter Allgemeine, Spiegel online