Dienstag, 13. Januar 2015

Alarm um die zunehmende Pornosucht, ihre Ursachen und Auswirkungen/Christa Meves

Von Christa Meves

Erfahrung im Hinblick auf das Verhalten von Menschen gilt heute nicht mehr als Wissenschaft. Wer nur durch Beobachtung zu psychologischen und pädagogischen Erkenntnissen kommt, muss auf Faktenwissenschaft – am besten auf dem Boden von Hirnforschung  – warten.

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin liefert nun eine solche Aussage. Mit einer Studie werden dort die bedenklichen Folgen der Nutzung von Pornografie bestätigt.

Man ließ 64 Männer zwischen 21 und 45 Jahren pornografisches Material anschauen, während sie der Magnetresonanztomographie (MRT) ausgesetzt waren und untersuchte so die Hirnstruktur der Probanden sowie deren Hirnaktivitäten.

Zuvor hatte man sie gefragt, wie oft und wie lange sie jeweils Pornos anschauen. In einem Bericht des Instituts heißt es:

“Die Auswertung der Ergebnisse zeigte einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Stunden, die die Probanden in der Woche mit pornografischem Material verbringe, und der Größe der grauen Substanz im Gehirn.

Im Ergebnis zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Pornografiekonsum und der Größe des Striatum, einer Hirnregion, die zum Belohnungszentrum des Gehirns gehört. Das heißt: Je mehr sich die Probanden mit Pornografie beschäftigten, desto kleiner war das Volumen ihres Striatums.”

Die maßgebliche Wissenschaftlerin, Simone Kühn, kommentiert das so:

“Das könnte bedeuten, dass der regelmäßige Konsum von Pornografie das Belohnungssystem gewissermaßen ‘ausleiert’. Deswegen nehmen wir an, dass Probanden mit hohem Konsum immer stärkere Anreize benötigen, um das gleiche Belohnungsniveau zu erreichen.”

Eine solche Forschung ist von höchstem Belang; denn – so bilanziert eine Studie von Professor Jakob Pastötter, gemeinsam mit seinem Kollegen von der City-Universität London, an der 56.000 Männer und Frauen teilgenommen hatten:

Der Konsum von Pornografie bei Männern ist erschreckend hoch. Von diesen Männern schauen sich täglich oder wöchentlich 60 Prozent einen Porno an, bei Frauen sind es weniger als 12 Prozent.

Besonders erschreckt ein bedeutsames Detail den Professor, den Präsidenten der deutschen Gesellschaft für sexualwissenschaftliche Sozialforschung mit Sitz in Düsseldorf: “Mehr als jeder Zehnte von den 16 – 19-jährigen Jugendlichen gab an, schon im Alter von 10 Jahren Sexfilme angeschaut zu haben.”

Deutschland an der Spitze der Porno-Aufrufe im Internet

Darüber hinaus weiß das evangelische Wochenmagazin “IDEA-Spektrum” (Nr. 45/2014) mit einer Grafik zu berichten: Deutschland habe im Vergleich mit neun anderen technizistischen Staaten bei den Webseit-Aufrufen, die zu Pornoseiten führen, mit 12,47 Prozent weltweit den höchsten Anteil.

Das sind beunruhigende Berichte, wobei seit ca. 25 Jahren allein mithilfe des Internet eine verstärkte Möglichkeit besteht, Zugang zur Pornonutzung zu bekommen.

Und von allergrößter Relevanz im Hinblick auf die Aufklärung der Bevölkerung ist besonders jener neue Ansatz im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung; denn deren Feststellung, dass die Möglichkeit zum Kick durch häufigen Gebrauch “ausleiere”, gibt damit einen Hinweis auf die große Gefahr, die mit häufiger Pornonutzung verbunden ist:

Ihre Untersuchung ist ein bedeutsamer Hinweis auf die Anbahnung zur PORNOSUCHT.

Die Nutzer können das beschreiben – so habe ich als langjährige Gutachterin beim Jugendgericht in Erfahrung bringen können: Hier spult sich ein Vorgang wie bei jeder anderen Sucht ab.

Entstehung der Pornosucht und ihre Folgen

Besonders ersichtlich ist die Entstehung von Sucht bei der Anbahnung zur Alkoholabhängigkeit. Der Nutzer wird gedrängt, nach immer stärkeren Anreizen auf die Suche zu gehen, was seine Gedankenwelt in zunehmendem Maße fesselt. Auf der Suche nach Lust wird die Willensfreiheit in einem sich steigernden Maße eingeschränkt, so dass schließlich sogar die Gefahr entsteht, in der Realität Kinder als Objekte der sexuellen Befriedigung zu missbrauchen.

Dass es heute eine Kinderschänderindustrie gibt, die von Millionen von Männern in Anspruch genommen wird, ist eine höchst alarmierende Gegebenheit. Seit dem Skandal um den Bundestagsabgeordneten Edaty ist dem Parlament hierzulande offenbar bewusst geworden, dass hier dringlicher Handlungsbedarf besteht.

Allerdings ist das mit kleinen Änderungen im Gesetz, wie in den letzten Tagen geschehen, nicht einfach getan. Von großer Dringlichkeit ist die Einsicht, dass mit der sogenannten “Befreiung zur Sexualität” seit ca. 50 Jahren weltweit ein Rubikon überschritten worden ist.

Von der praktischen Berufserfahrung her habe ich schon damals mit einer Vielzahl von Publikationen vor der Entfesselung des zweitgrößten Lebenstriebes und den seelisch zerstörerischen Folgen zu warnen begonnen. Als letztes noch einmal mit den Taschenbüchern “Wer Wind sät” und gemeinsam mit Professor Thomas Schirrmacher unter dem Titel “Ausverkaufte Würde – der Pornoboom und seine psychologischen Folgen”.

Aber selbst das Aufplatzen der Eiterbeule durch den belgischen Verbrecher Dutroux führte nicht zu nachhaltigen Aktivitäten der Regierungen und der Aufklärung der Bevölkerung über das Wesen der Sexualsucht.

Kann es in später Stunde noch Hilfe geben gegen diese Form der Selbstvernichtung einer blühenden Gesellschaft?

Nun gehen junge verantwortungsbewusste Eltern z.B. in  Stuttgart auf die Straße – immerhin! Aber unumgänglich wäre eine Bemühung der Mächtigen um eine Vereinbarung gegen diesen Seelenkrieg. Er müsste auf einem Gipfeltreffen Hauptthema sein.