Dienstag, 2. September 2014

Generation „Maybe“

Für 19 Milliarden Dollar kaufte Mark Zuckerberg Whatsapp – eine Internetklitsche mit 55 Mitarbeitern, die nichts können, außer Textnachrichten übermitteln. Mit diesem Geld könnte man den Frankfurter Flughafen kaufen und noch einiges mehr.

Nun könnte man Zuckerberg für Wahnsinnig halten, aber er weiß was er tut. Whatsapp ist ein Phänomen: Jede Kleinigkeit im Leben der Jugendlichen produziert Unmengen an digitalem Müll. Früher musste man sich verbindlich verabreden. Heute gehen unzählige Nachrichten voraus um sich dann „vielleicht“ zu treffen. Ein Fluch der heutigen Generation.

50 Milliarden Nachrichten, Fotos und Sprachmemos werden am Tag über Whatsapp hin- und hergeschickt – genauso viele wie E-Mails. Auf 450 Millionen Nutzer bringt es das Unternehmen weltweit, 30 Millionen davon allein in Deutschland.

Welch ein Wahn! Wer ein Smartphone besitzt, und das sind fast alle Jugendlichen, legt es kaum mehr aus der Hand. Es ist ständiger Begleiter, bei Hausaufgaben, Kuchenbacken, Abendessen. Es ist ihr Fenster zur Welt. Unentwegt blinkt das Whatsapp-Bildchen grün, um den Eingang neuer Nachrichten zu verkünden. Irgendeiner hat immer eine Frage, und sei es nur zu den Hausaufgaben. „Die Heranwachsenden konzentrieren sich auf nichts mehr richtig“, warnt daher der Soziologe Ulrich Oevermann von der Universität Frankfurt. „Das macht es für sie später so schwer, sich zu entscheiden – denn dafür müssten sie mal in Ruhe nachgedacht haben.“ Denken fällt aus, die Ruhe fehlt.

Kinder verlieren die Fähigkeit sich zu entscheiden und klare Vereinbarungen zu treffen. Whatsapp ist die digitale Antwort auf die Generation „Maybe“, die sich zu keinem klaren Ja oder Nein durchringen kann. Eine Generation, die sich nie festlegen wollen – auf eine Meinung, einen Partner, einen Beruf, einen Lebensentwurf. Es könnte ja noch etwas Besseres kommen…


Und das Elend beginnt immer früher. Schon Zehnjährige beginnen zu chatten und jeden Pups in eine digitale Endlosschleife durch die Welt zu schicken. Eine E-Mail ist zu umständlich, eine SMS zu teuer und das Telefon zu altertümlich.

Whatsapp zu verbieten ist schier unmöglich – auch wenn es offiziell erst ab 16 Jahren erlaubt ist, vor Datenmissbrauch und Sicherheitslücken gewarnt wird. Das spielt auf dem Schulhof keine Rolle. Voller Stolz zeigen die Schüler sich, wie viele Follower sie bei Instagram um sich scharen. Wie viele ihre Bilder bei Snapchat anschauen. In wie vielen Whatsapp-Gruppen sie sich austoben. Und hinter den vielen „Hihis“ und „Hahas“, den endlosen Herzchen und Smileys steht stets die Frage: Wie beliebt bin ich?

„Die Entscheidungs- und Bindungsunfähigkeit junger Menschen wird durch digitale Plattformen gefördert“, diagnostiziert der Sozialpsychologe Oevermann. Da bei Whatsapp immer klar ersichtlich ist, wer wann online ist, wächst unter den Jugendlichen der Druck, ständig zu antworten. Schweigen ist unhöflich, birgt Konflikte.

Also flüchtet man sich ins Unverbindliche – in vielleicht, eigentlich gerne, aber mal sehen... Mal sehen, was? Dass das Leben vorbeikommt? Der Traumtyp vorbeischaut? Das Jobangebot hereinschneit? Zum Glück muss die Jugend noch keine wichtigen Entscheidungen treffen. Man mag sich nicht vorstellen, wie das später funktionieren soll.

Soziologieprofessor Heinz Bude formuliert es so: „Whatsapp trifft ein normales Bedürfnis junger Menschen.“ Jede Generation versuche sich abzusetzen von den Alten. „Es ist ihre Kommunikationsart, mit neuen Regeln, einer anderen Logik, mit Anschluss- und Ausschluss-Funktionen, wie man sie immer in Peer-Groups findet. Dass da jetzt lauter Autisten heranwachsen, sehe ich nicht.“

Mit Angaben der FAZ vom 25.02.2014