Dienstag, 24. Juni 2014

Jean-Claude Juncker – der richtige EU-Kommissionspräsident?

Hartmut Nonn

Zurzeit beraten die 28 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über die Nachfolge des Präsidenten der EU-Kommission. Der EU-Vertrag bestimmt eigentlich, dass die Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten vorschlagen, der vom Europäischen Parlament bestätigt wird. Das EU-Parlament will nun selbst den zukünftigen Präsidenten der EU-Kommission bestimmen, um dieser undemokratischen Institution einen scheindemokratischen Anstrich zu geben. Der Nominierungsprozess steckt in einer Sackgasse.

Die Christdemokraten der Europäischen Volkspartei (EVP, zu denen CDU/CSU und ÖVP gehören) verloren bei der dritten Europa-Wahl in Folge seit 1999 wichtige Stimmenanteile bei den EU-Wahlen. Die scheidende, von den Christdemokraten-geführte EU-Kommission lehnte die Europäische Bürgerinitiative „1-von-uns“ ab und tat 10 Jahre lang nichts dafür, im Rahmen ihrer Zuständigkeit politische Maßnahmen zugunsten der Familie zu ergreifen. Ein von der CDU/CSU und ÖVP nominierter Präsident der EU-Kommission liefert also keine Garantie für ethisch fundierte christdemokratische Politik in der EU.

Nun soll ausgerechnet der ehemalige Regierungschef aus Luxembourg, Jean-Claude Juncker, als Präsident der EU-Kommission nominiert werden. Er ist auch der  Kandidat der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Jean-Claude Juncker war von 1995 bis 2013 Regierungschef im EU-Mitgliedsstaat Luxemburg. Jean-Claude Juncker ist der Prototyp der Brüsseler Hinterzimmer-Elite. Er verkörpert das reformunfähige „Alte Europa“. Jean-Claude Juncker ist Geschichte.

Jean-Claude Juncker gehört zu denen, die für die Euro-Krise verantwortlich sind. "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." erklärte Jean-Claude Juncker im SPIEGEL (52/1999, 27. Dezember 1999, S. 136). Im Rahmen der Euro-Krise ging er einen Schritt weiter. „Hart aber Fair“ zeigte Jean-Claude Juncker im Fernsehen: „Ich bin für geheime Debatten unter einigen Verantwortlichen“ und  „Wenn es ernst wird, muss man lügen“! Jean-Claude Juncker dementierte nicht.

Jean-Claude Juncker legalisierte im Frühjahr 2009 die Euthanasie in Luxemburg. Als der Staatschef, Großherzog Henri, dem umstrittenen Euthanasiegesetzt aus Gewissensgründen die Unterschrift verweigerte, provozierte Juncker eine Verfassungskrise und ließ die Verfassung dahingehend ändern, dass der Staatschef Gesetze nunmehr nicht mehr billigen muss. Jean-Claude Juncker missachtet das Grundrecht auf die Freiheit des Gewissens, und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Verweigerung aus Gewissensgründen.

Im November 2012 legalisierte Regierungschef Jean-Claude Juncker bedingungsfreie Abtreibung, selbst bei noch nicht volljähren Jugendliche ohne Information oder Erlaubnis ihrer Eltern. Luxemburg wurde damit eines derjenigen EU-Mitgliedsstaaten mit dem liberalsten Abtreibungsgesetz.  

Jean-Claude Juncker legalisierte gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Jahre 2004 und stellte sie der Ehe zwischen Mann und Frau gleich. Er engagierte sich persönlich für eine vollständige Gleichstellung mit einem uneingeschränkten Adoptionsrecht.

Jean-Claude Juncker musste am 10. Juli 2013 nach einer Geheimdienst-Affaire zurücktreten. Ein Untersuchungsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass er das geheimen Abhören und Überwachen von Oppositionspolitikern gebilligt hatte. Die vorgezogenen Wahlen erbrachten keine Mehrheit für die Christdemokraten, Juncker verlor alle Ämter. Nun soll er mit einem Top-Job in Europa versorgt werden: „Hast Du einen Opa, dann schick ihn nach Europa“ gilt auch in Krisenzeiten für einen gescheiterten Ministerpräsidenten der christdemokratischen EVP.

Die persönlichen Lebensumstände sollten bei Top-Jobs nicht vernachlässigt werden. Jean-Claude Juncker trinkt zu viel Alkohol, wie sein Nachfolger in der Euro-Gruppe Jeroen Dijssenbloem einmal feststellte. Der SPIEGEL (3.02.2914) recherchierte: „Je öfter Junckers Name fällt, desto mehr stellt sich die Frage, ob er den Belastungen des Amts des Kommissionspräsidenten gewachsen wäre. Langjährige Wegbegleiter berichten von menschlichen Schwächen, die einer breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt sind…“ „Juncker droht so etwas wie eine politische Alkoholkontrolle.“ Der Journalist Pascal Steinwachs schrieb im "Lëtzebuerger Journal", schelmische Zungen behaupteten, Juncker habe tatsächlich kein Problem mit Alkohol, nur ohne.“ 

Jean-Claude Juncker kann nicht Präsident der EU-Kommission werden. Er verkörpert die gescheiterte reformunfähige „Alte EU“. Der Rat der Europäischen Union muss einen anderen Kandidaten finden, der auch bei den nicht verhandelbaren ethischen Grundsätzen klare Positionen bezieht. Als Regierungschef verstieß Jean-Claude Juncker gegen alle wesentlichen Prinzipien, die den ethisch orientierten Wählern wichtig sind: Ehrlichkeit, Respekt des Lebens, der Ehe zwischen Mann und Frau sowie der Familie, die darauf aufbaut. Achtung der Gewissensfreiheit und Grundsätze des Rechtsstaats. Dass die christdemokratische EVP ausgerechnet einen alten Regierungschef unterstützt, der gegen alle Grundsätze christdemokratischer Politik verstoßen hat, zeugt vom Werteverlust auch innerhalb von CDU und CSU sowie ihrer europäischen Partnerparteien. Das Festhalten Frau Merkels und er Christdemokraten an Herrn Juncker zeigt vor allem die Missachtung derjenigen Wähler, die den EVP-Mitgliedsparteien vertrauten, die EU mit demokratischen Prozeduren zu reformieren.