Dienstag, 15. April 2014

Medienwissenschaft: Der Einfluss von Zeit auf die Mediennutzung

Mit der Frage, warum Menschen bestimmte Medien in unterschiedlicher Häufigkeit und Dauer genutzt werden, beschäftigt sich Prof. Dr. Wolfgang Seufert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
 

Dabei lassen sich große Unterschiede im individuellen Mediennutzungsverhalten feststellen und gelten für alle Arten und Genres. Diese unterschiedlichen Vorlieben werden auf unterschiedliche Persönlichkeitseigenschaften zurückgeführt, also auf die Prägung des Verhaltens durch das soziale Umfeld ebenso wie psychografische Merkmale. Zu den psychografischen Faktoren zählen zum Beispiel Werte, Motive, Einstellungen, Kenntnisse oder Interessen.
 

Menschen nutzen also Medien nicht willkürlich oder abstrakt sondern nach ihren individuell unterschiedlichen Bedürfnissen. Aufgrund der Erfahrungen mit den Medien gehen sie davon aus, dass die aktuellen Bedürfnisse nach Information, Unterhaltung und sozialer Interaktion am besten durch die Nutzung bestimmter Medienangebote befriedigt werden kann.

Doch Dauer- und Häufigkeit der Mediennutzung hängt nicht nur von den Vorlieben der einzelnen Nutzer ab. Auch wie viel Zeit und Geld zur Verfügung stehen ist abhängig von Kauf- und Konsumverhalten. An einem Tag mit viel Freizeit wird anders auf verschiedene Mediennutzungsaktivitäten und nicht-mediale Aktivitäten verteilt, als an einem Tag mit wenig Freizeit. Der Umfang der Nutzung ist zudem abhängig, wie lange an diesem Tag die Tätigkeiten zur Bewältigung des Alltags dauern.

Bei der durchgeführten Langzeitstudie aus den Jahren 1995, 2005 und 2010 wurden über 4000 Erwachsene nach der zeitlichen Struktur ihres Tagesablaufs und nach der Nutzungsdauer aller Medien befragt. Da Medienpräferenzen und Zeitverfügbarkeit analytisch getrennt betrachtet werden, lässt sich auch durch den Vergleich der Daten überprüfen, ob und in welchem Umfang das Internet zu einer wesentlichen Veränderung der anderen Medien geführt hat.

Interessant sind folgende Ergebnisse:

Mit zunehmender Freizeit steigt die Nutzung aller Medien an. Beim Fernsehen ist der Einfluss der verfügbaren Zeit doppelt so hoch wie bei der Radio-, Internet- oder Zeitungsnutzung. Von jeder zusätzlichen Minute Freizeit wurde im Jahr 2010 über 30 Sekunden zusätzlich für die TV-Nutzung eingesetzt. Für die Internetnutzung waren es nur 10 Sekunden, für die Zeitungsnutzung nur noch 2 Sekunden.

Mit der Dauer der Zeit für Körperpflege, Mahlzeiten, Einkäufe, Hausarbeit oder Wegezeiten, stieg 2010 vor allem die Nebennutzung des Radios. Mit jeder Minute nahm die Radio-Nebennutzung um 30 Sekunden zu. Die des Fernsehens nahm um 15 Sekunden zu. Das Internet spielte als Nebenmedium im Jahr 2010 noch so gut wie keine Rolle.

Eine systematische Komplementärbeziehung zwischen Medienarten gibt es nicht. Starke Zeitungsleser sind also nicht gleich starke Internetnutzer. Es lassen sich für 2010 zwischen allen Medienarten Austauschbeziehungen feststellen, die aber durchweg schwach ausgeprägt sind. Demnach wird zu einem bestimmten Zeitpunkt immer eine bestimmte Art der Medien genutzt, die nach Sicht der Nutzer für die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse jeweils besonders gut geeignet sind.

Langfristig verändert das Auftreten eines neuen Mediums die Präferenzen für die alten Medien durchaus. Vergleicht man das Mediennutzungsverhalten von 1995 und 2005 und 2010, so zeigt sich, dass die stärkere Nutzung des Internets zu einem Rückgang aller anderen Medien geführt hat. Zwischen 2005 und 2010 war dies noch gering. Wesentliche Veränderungen haben bereits im Zeitraum von 1995 bis 2005 stattgefunden. Mit der Verbreitung des Internets gibt es vor allem immer weniger Personen, die in ihrer Freizeit Zeitung lesen oder Radio hören.

Das Internet macht dumm, es raubt uns unsere Seelen, es führt zu Verflachung und ständiger Ablenkung. Festplatten und Telefonspeicher stehlen uns das letzte bisschen Gedächtniskünstlerschaft. Im Moment zerstören Navigationssysteme gerade unseren Orientierungssinn. Was uns Maschinen abnehmen, verkümmert. "Wir outsourcen unsere Gehirne in eine Datenwolke" Das Lösen realweltlicher Probleme - Rechenaufgaben, Informationsspeicherung, Orientierung - ist dem zufolge ein Schritt in die falsche Richtung, weil es die Menschheit zunehmend entweder extrem verweichlichen oder extrem verrohen lässt. Soziale Netzwerke sind nicht sozial!

Mit Angaben aus medienpolitik.net