Montag, 17. Februar 2014

Belgien: Entscheidung über Leben und Tod von Kindern

Nach der Abstimmung am 13. 02.14, ist Belgien das erste Land, das keine Altersgrenze für aktive Sterbehilfe vorgibt.

Die unfassbare Gesetzesänderung erlaubt es Kindern und Jugendlichen, die unheilbar krank sind, über den Zeitpunkt ihres Todes zu entscheiden. Sie benötigen dafür die Zustimmung ihrer Eltern, zudem müssen der behandelnde Arzt, unabhängige Kollegen und ein Psychologe einwilligen. Die grundsätzliche Entscheidung liegt aber bei dem Kind.

Bis zuletzt hatten Gegner gegen die Abschaffung der Altersgrenze gekämpft, allen voran die katholische Kirche. "Man beurteilt die Jugend als rechtlich nicht geeignet, wichtige wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen", sagte der belgische Erzbischof André-Joseph Léonard. "Und plötzlich sollen sie fähig sein, zu entscheiden, dass man sie sterben lässt." Viele bezweifeln die Urteilsfähigkeit von Kindern. Kritische Mediziner schrieben in einem offenen Brief, es gebe "nicht die geringste objektive Methode", um die geforderte Entscheidungsfähigkeit festzustellen.

Auch Abgeordnete im Parlament reagierten schockiert auf die neue Gesetzgebung. „“Man hat alle Kinder, von null bis 18 Jahren, in dieselbe Kategorie gesteckt“, empörte sich die Abgeordnete Marie-Christine Marghem. Tatsächlich sieht das belgische Gesetz keine klar definierte Untergrenze des Alters vor. In der EU ist aktive Sterbehilfe für Minderjährige sonst nur in den Niederlanden erlaubt. Dort gilt allerdings das Mindestalter von zwölf Jahren.

Die Debatte spaltet das Land: Gegner haben bis zuletzt versucht, die Gesetzesänderung zu verhindern. Katholische Bischöfe haben zu Mahnwachen eingeladen.
Auch aus Deutschland, wo derzeit ein Verbot des organisierten assistierten Suizids diskutiert wird gab es scharfe Kritik. "Mit dieser Entscheidung verabschiedet sich Belgien von den gemeinsamen humanitären Werten in Europa", sagte Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Benoit Beuselinck, Krebs-Spezialist an den Universitätskliniken Leuven, ist Mitbegründer der Bürgerinitiative “Sterbehilfe Stopp“. Der Mediziner stellt sich gegen den Vorschlag und sagt, wie bei Erwachsenen solle man auch bei Kindern die Leiden durch Palliativmedizin erleichtern. Nicht durch Tod. Es gebe Möglichkeiten und Mittel, um Angst, Schmerz und Symptome wie Kurzatmigkeit zu behandeln. Zusätzlich sei in der palliativen Begleitung auch psychologische oder spirituelle Hilfe möglich.

Bei Kindern und Minderjährigen stelle sich vor allem die Frage nach der Autonomie. "Besitzt ein Kind die Reife, um sich bewusst für den Tod zu entscheiden?", fragt Beuselinck. "Und was passiert, wenn es Uneinigkeit in der Familie gibt?"

Neben den Kirchen und Religionsgemeinschaften in Belgien sind auch die Christdemokraten (CD&V) gegen die Änderung. Ein Kind dürfe keinen Alkohol kaufen und kein Auto fahren - aber plötzlich über etwas so Unumkehrbares wie den Tod entscheiden, sagte eine CD&V-Senatorin. Außerdem gebe es gar keine Notwendigkeit.

Seit 2002 gab es in den Niederlanden nach offiziellen Zahlen, nur fünf Minderjährige, die Sterbehilfe wollten. Nur eine Person war jünger als 16.

Mit Informationen  aus Spiegel online und idea.de