Mittwoch, 13. November 2013

Neue Studie der Universität Zürich: Sexueller Kindesmissbrauch im Internet nimmt zu

Christiane Jurczik

Am häufigsten findet sexuelle Belästigung heute per Internet statt, wie eine von der Universität Zürich veröffentlichte Studie zeigt. Was die Forschenden überrascht: Die Mehrheit der Opfer wird von jugendlichen Tätern missbraucht, die sie bereits kennen.

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist in der Schweiz alarmierend weit verbreitet. Dies berichten Mediziner der Universität, des Kinderspitals und des Unispitals Zürich aufgrund einer neuen Studie. Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Befragung von mehr als 6000 Schweizer Schüler und Schülerinnen der 9. Klasse.

Beide Geschlechter nannten die sexuelle Belästigung per Internet am häufigsten. Von den Befragten, im Alter von 15 bis 17 Jahren, haben rund 40 Prozent der Mädchen und 17 Prozent der Jungen angegeben, jemals mindestens eine Art von sexuellem Missbrauch erlebt zu haben. Im Vergleich zu den Jungen kam bei den Mädchen sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt mehr als doppelt so häufig vor und dreimal so häufig sexueller Missbrauch mit Körperkontakt, schreiben die Forscher im Journal of Adolescent Health.

Die Form des sexuellen Missbrauchs per Internet erlebten rund 28 Prozent der Mädchen in ihrem Leben und bei den Jungen beinahe 10 Prozent. Mit knapp 15 Prozent bei den Mädchen und 5 Prozent bei den Jungen folgte an zweiter Stelle die verbale sexuelle Belästigung per E-Mail oder SMS. Gegen den eigenen Willen geküsst oder berührt wurden fast 12 Prozent der befragten Mädchen und 4 Prozent der Jungen. 2,5 Prozent der Mädchen haben bereits sexuellen Missbrauch mit Penetration erlebt, bei den Jungen waren es 0,6 Prozent.
Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt kommt deutlich häufiger vor als beispielsweise eine Studie aus dem Jahr 1996 zeigt. “Wir gehen davon aus, dass dieser Unterschied auf die Belästigung per Internet, E-Mail oder SMS zurückzuführen ist“, erklärt die Dozentin Meichun Mohler-Kuo der Universität Zürich.

Täter sind oft andere Jugendliche
 

Was den Forschern besonders aufgefallen ist: Die Täter sind zumeist andere Jugendliche. Mehr als die Hälfte der weiblichen und mehr als die 70 Prozent der männlichen Betroffenen berichteten von Tätern unter 18 Jahren. Zudem kannten die meisten Opfer körperlichen Missbrauchs die Täter – es waren zum Beispiel Partner, Kollegen oder Bekannte.

Möglicher Weise seien Jugendliche heute generell gewalttätiger untereinander, sagte Meichun Mohler-Kuo, der Nachrichtenagentur sda. Eine Erklärung könne sein, dass die jungen Leute heute schon früh Gewaltdarstellungen und Pornografie über Medien und Internet ausgesetzt sind.

Die Opfer schweigen
 
Tatsächlich vertraute sich nur die Hälfte der weiblichen und nur ein Drittel der männlichen Opfer jemanden an, bei schweren sexuellen Missbräuchen sogar noch weniger. Ansprechpartner waren meist Kolleginnen und Kollegen, nur 20 Prozent der Opfer sprachen mit ihrer Familie, 10 Prozent mit der Polizei.
 
Im Vergleich zu ähnlichen Studien aus anderen Ländern sind die Zahlen, bezüglich der Offenlegung, sehr niedrig. Dies erschwert rechtzeitige Interventionen. Frühere Studien zeigen, dass sexueller Kindesmissbrauch bei den Opfern das Risiko für späteres Risikoverhalten sowie psychische und körperliche Erkrankungen erhöht.

Mit Material des Informationsdienst Wissenschaft e. V.