Dienstag, 20. August 2013

Internet: Das virtuelle Tor für Sexualtäter

Riskante Computerspiele sind vom sogenannten Cyber-Grooming – der sexuellen Belästigung im Internet – betroffen. Die Täter gehen dabei sehr perfide vor.

Über das Agieren von Sexualtätern im Internet und die Risiken bei Computerspielen klärt der Kriminologe Thomas Rüdiger in einem Interview nicht nur unwissende Eltern auf.

Damit Kinder nicht Opfer im Internet werden, rät Thomas Rüdiger den richtigen Umgang mit dem Internet zu lernen ohne den Kindern nachzuschnüffeln oder es ganz zu verbieten. Es geht vielmehr darum, dass Eltern sich mit der Medienrealität, in der sich Kinder bewegen, auseinanderzusetzen. Beispielsweise Kinder-Chatportale und Online-Spiele, mit denen sich Eltern genauso vertraut machen sollen, wie ihre Kinder. Die Eltern sollten sich selbst anmelden, um zu sehen, worum es geht.

Denn Kinder treten mit einem Problem eher an ihre Eltern heran, wenn sie Vertrauen haben. Und das entsteht in diesem Zusammenhang meist durch Medienkompetenz. Wenn Eltern sich mit den Dingen auskennen, gibt es eine gemeinsame Ebene. Nur so werden sie zu Ansprechpartnern. Diese Zeit sollten sich Eltern für ihre Kinder nehmen, rät der Kriminologe. Wenn man sich selbst anmeldet, ist bei vielen Internetangeboten bereits zu erkennen, wo die Risiken liegen.

Bei Jugendlichen sind etwa Spiele sehr beliebt, bei denen sich die Nutzer zum Beispiel über eine virtuelle Figur eine neue Identität geben. Solche Spiele haben weltweit mehrere Hundert Millionen Zugriffe pro Jahr. Meist sind sie ohne oder mit geringer Altersbeschränkung freigegeben. Teilweise besitzen sie auch eine niedliche Oberfläche mit süßen Ponys und hübscher Umgebung, die auf Eltern völlig harmlos wirkt. Wenn man selbst angemeldet ist, sieht man aber was bei einigen Spielen schnell passieren kann. Im schlimmsten Fall kann man nämlich Anfragen sexueller Natur beobachten oder es werden Mädchen zum Bilderaustausch gesucht.

Das Problem sind also nicht nur die Chats, sondern auch die Spiele. Denn bei klassischen Chatportalen sind Eltern noch vorsichtig, bei kindgerechten Spielen mit Pinguinen und Teddybären aber weniger. Und diese Spiele sind meist ohne Altersbeschränkung, weil nur geprüft wird, ob Gewalt oder Pornografie vorhanden ist. Doch fast alle Computerspiele besitzen heute einen Onlinemodus und somit eine Chatfunktion. Dies und eine fehlende Verifikation der angemeldeten Spieler ist das Einfallstor für Sexualtäter. Problematisch ist auch, dass einige Spiele nur auf den ersten Blick umsonst sind. Denn später wird man aufgefordert, virtuelle Güter zu kaufen. Eine Masche von Sexualtätern ist es zum Beispiel Kindern virtuelle Währungen für Nacktbilder anzubieten. Sie werden animiert virtuelle Güter wie Haustiere, Möbel oder Waffen zu kaufen. Besonders perfide ist dabei folgender Mechanismus in einem Spiel: Die Kinder können Haustiere kaufen, die sich streicheln lassen und mit denen gespielt werden kann, bis sie hunger bekommen. Dann reagieren sie erst wieder, wenn sie Futter erhalten. Und das kostet Geld. Meist eine Fantasiewährung, die per Kreditkarte oder Telefonrechnung gekauft werden kann. Kinder, die nicht zahlen können, können dann empfänglich sein für Sexualtäter. Die versprechen nämlich, bestimmte Dinge zu kaufen, wenn sie ein Nacktbild oder Ähnliches erhalten. Für die Täter reicht oft schon eine Antwort auf eine explizite Frage, um von einem Kind weitere Handlungen zu erpressen.


Es gibt gegenwärtig fast keine Kinderchatportale oder –spiele, die so abgesichert sind, dass in ihnen keine Sexualtäter unterwegs sein können.

Weiter erklärt Rüdiger, dass am stärksten gefährdet Kinder ab ungefähr zehn Jahren sind. Hellhörig sollte man werden, wenn sich Kinder ohne anderen Grund stark zurückziehen, in der Schule schlechter werden. Das kann unter anderem ein Hinweis sein, dass diese in den Strudel eines Sexualtäters geraten sind. Zum Teil sind die Opfer auch suizidgefährdet.

Kinder sollten am besten natürlich gar nicht darauf eingehen. Aber es gibt leider auch eine natürliche Neugierde und Naivität. Die Täter gehen sehr perfide vor. Ein gutes Beispiel ist der Fall der Kanadierin Amanda Todd, die sich das Leben genommen hat. Es heißt immer, Mobbing sei der Grund dafür gewesen. Doch das Mädchen war mit zwölf Jahren in einem Internetportal von erwachsenen Tätern geschickt dazu überredet worden, ihnen Bilder ihrer Brüste zu schicken. Als die Täter die Bilder erhielten, versuchten sie weitere Nacktfotos von ihr zu erpressen. Amanda Todd ging darauf nicht ein. Der Täter veröffentlichte dann die Bilder an ihrer Schule und auf Facebook. Das hat dann erst zu dem Mobbing durch Mitschüler geführt.

In Deutschland gab es in den letzten Monaten bundesweit mehrere Sachverhalte, die gerichtlich abgeurteilt wurden. Aktuell wird in Niedersachsen ein 13-jähriges Mädchen vermisst. Vor einem Jahr hat ein 53-Jähriger der Polizei bekannter Täter mit ihr in einem Internetportal eine sexuelle Kommunikation aufgenommen. Seit zwei Monaten nun sind beide verschwunden. Ihre Mutter sucht verzweifelt per Facebook nach ihrer Tochter.

Mit Material aus pnn.de