Montag, 1. Juli 2013

Kinder bekommen häufiger Psychopillen verschrieben

Ein Drittel der Senioren schluckt mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe

Kinder und ältere Menschen bekommen zu viele Arzneimittel mit gefährlichen Auswirkungen und ohne klaren medizinischen Grund. Zu diesem Ergebnis kommt der neue Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Während Kindern “besorgniserregend“ viele Psychopillen verordnet werden, schluckt ein Drittel der Senioren mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe täglich.

Dem vom Bremer Gesundheitsexperten Gerd Glaeske erstellten Report zufolge stiegen die Verschreibungen von sogenannten Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen von 2005 bis 2012 um 41 Prozent. Während bei Kleinkindern bis vier Jahren Ärzte kaum noch solche Medikamente verschrieben werden, steigen bei allen anderen die Verordnungen, am stärksten demnach bei den Zehn- bis 14-Jährigen.

„Eine medizinische Erklärung dafür lässt sich nicht direkt herleiten“, erklärte Glaeske. Weder zeigten Studien einen Anstieg psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, noch hätten sich die relevanten Therapieempfehlungen geändert.

Auf der anderen Seite hätten Antipsychotika zum Teil gravierende unerwünschte Wirkungen. Antipsychotika beziehungsweise Neuroleptika werden vor allem für Kinder und Jugendliche mit einer sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), mit Angststörungen oder Depression verordnet.

Kritisch bewertet der Report auch die Verschreibung von mehreren Wirkstoffen gleichzeitig für ältere Patienten. Ein Drittel der Versicherten über 65 Jahre nimmt demnach täglich mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe zu sich. Bei den Hochbetagten zwischen 80 und 94 Jahren sei dies fast jeder Zweite.

Im Durchschnitt schlucken Männer über 65 Jahre täglich 7,3 Wirkstoffe, bei Frauen dieser Altersgruppe sind es 7,2. Gerade die riskante Multimedikation unterstreiche die Notwendigkeit der elektronischen Gesundheitskarte, des elektronischen Rezepts und der elektronischen Patientenakte, erklärte der Vizechef der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker. Damit hätten behandelnde Ärzte und auch Apotheker einen viel besseren Überblick über die Arzneimitteltherapie.