Donnerstag, 23. Mai 2013

Die Grünen und ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat ein dunkles Kapitel ihrer Geschichte eingeholt. Mitte der achtziger Jahre gab es Kräfte bei den Grünen, die sich dafür aussprachen, Sex mit Kindern zu legalisieren. Dafür plädierte die damalige „Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle“, die von der Bundespartei und der Bundestagspartei finanziert wurde.

Jetzt kam ans Licht, dass es auch einen Beschluss der Partei zu der Thematik gegeben hat. Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nahm ein Parteitag am 10. März 1985 das Arbeitspapier „Sexualität und Herrschaft“ in das Programm für die nordrhein-westfälische Landtagswahl auf. Die Kernthese des mit 73 zu 53 Stimmen bei sieben Enthaltungen gefassten Beschlusses lautet: Jede Form von „gewaltfreiem“ Sexualverkehr – auch jener zwischen Kindern und Erwachsenen – müsse straffrei bleiben. In dem Text wird die „gewaltfreie Sexualität mit Kindern“ als „für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv“ bezeichnet. Führende Politiker wie der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Volker Beck, sowie die kinder- und familienpolitische Sprecherin der Fraktion, Katja Dörner, hatten bisher laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung immer bestritten, dass es entsprechende Beschlüsse gegeben habe.

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau räumte Beck im Blick auf den Lüdenscheider Parteitag von 1985 jetzt aber ein: „Es hat einen Beschluss gegeben, in dem eine entsprechende Minderheitsmeinung dokumentiert war. Sie war auch ausdrücklich als solche gekennzeichnet.“ Die Sache habe gleichwohl riesige Wellen geschlagen: „Die Partei korrigierte den Fehler umgehend und strich die missverständlichen Passagen aus dem Programm.“ Beck selbst hatte sich in dem Buch „Der pädosexuelle Komplex“ (1988) für die Entkriminalisierung von einvernehmlichen Sexualkontakten mit Kindern ausgesprochen: „Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich, nicht zuletzt, weil sie im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen aufrechterhalten wird.“

Im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagte Beck dazu: „Dieser Aufsatz ist gegen meinen Willen vom Herausgeber redigiert worden. Meiner Erinnerung nach fiel Pädophilen-kritisches weg, anderes wurde aufgepeppt.“ Aber auch „in dieser verfälschten Fassung“ habe sich der Text eindeutig gegen die Forderung gewandt, das Sexualstrafrecht abzuschaffen. Beck: „Gleichwohl war auch ich in jener Zeit in dem Irrtum gefangen, dass sexueller Missbrauch und manche pädophilen Handlungen unterschiedliche Tatbestände seien“. 1988/89 hätten ihm neue Forschungen und die Arbeit von Opferhilfe-Organisationen die Augen geöffnet.

Seither sage er ganz klar: „Praktizierte Pädophilie ist in jedem Fall ein Verbrechen. Auch in der politischen Schwulenbewegung hat man viel zu lange über die strukturierte Asymmetrie der Erwachsenen-Kinder-Beziehung hinweg schwadroniert.“ Am 13. Mai hatten die Grünen im Bundesvorstand beschlossen, den Umgang ihrer Partei mit Pädophilie in der Vergangenheit aufarbeiten zu lassen. „Wir wollen genauer wissen, wie lange und in welchem Umfang Gruppen, die völlig inakzeptable pädophile Forderungen nach Straffreiheit für Sexualität von Erwachsenen mit Kindern vertreten haben, innerhalb der Partei wirken konnten“, heißt es in dem Beschluss. Beck sagte dazu: „Ich finde es vernünftig, dass sich jetzt ein Forscher mit dem Thema systematisch auseinandersetzt.“

Mit Informationen aus idea.de