Sonntag, 2. Dezember 2012

CDU: Bundesparteitag 2012 könnte eine historische Zäsur markieren

Mathias von Gersdorff

Wenn es nach den Umfragen ginge, könnten sich die Christdemokraten auf eine ruhige und besinnliche Adventszeit einstellen. Laut der aktuellen „Sonntagsfrage“ erreicht die CDU mit 40 Prozent den höchsten Wert seit 2007. Der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück verlor schnell nach seiner Nominierung dagegen an Beliebtheit.

Die beliebteste deutsche Politikerin ist nach wie vor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie bleibt laut Umfrage an der Spitze der Beliebtheitsskala. Mit ihrer Arbeit sind 68 Prozent der Deutschen zufrieden - sogar ein Prozent mehr als vor einem Monat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, ebenfalls CDU, bleibt auf Platz zwei mit 65 Prozent. Die Wähler trauen diesen beiden zu, Deutschlands halbwegs heil durch die Finanz- und Eurokrise führen zu können.

Die wichtigsten Wahlen der nächsten zwölf Monate sind die Landtagswahl in Niedersachen am 20. Januar 2013, die Landtagswahl in Bayern am 15. September 2013 und vor allem natürlich die Bundestagswahl voraussichtliche Ende September 2013 oder Anfang.

Aber davor findet vom 3. Bis zum 5. Dezember 2012 der Bundesparteitag der CDU. Dieser Parteitag könnte die Risse und das Zerbröseln der Wählerbasis der Partei zum Vorschein bringen.

Insbesondere das linke Lager möchte deutlich das christliche Profil abbauen. Schon im Spätsommer hatte sich just Bundesfamilienministerin Kristina Schröder für eine einkommenssteuerrechtliche Gleichstellung homosexueller Paare mit der normalen Ehe ausgesprochen, wofür sie harsche Kritik erntete.

Doch nun – wenige Wochen vor dem Bundesparteitag in Hannover – wird von mehreren Bundestagsabgeordneten ein neuer Versuch unternommen. Für diese müsse die CDU „großstadttauglich“ werden.

Konkret bedeutet das, die politischen Forderungen der Homo-Lobby zu unterstützen und das Familienbild zu dechristianisieren.

So wurde der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, CDU und bekennender Homosexueller, anhand eines Interviews in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ am 11. November 2012 aus der Versenkung geholt. Dort attestierte er seiner Partei „Rückständigkeit, Angst und mangelnden Respekt insbesondere vor den großstädtischen Realitäten“. . . . „„Überkommene „Reflexe“ sieht Beust etwa im „andauernden Widerstand der Partei gegen die Anerkennung von schwulen Partnerschaften oder in der Rede davon, dass Deutschland kein Einwanderungsland“ sei.

Er ist nicht der einzige. Der Chef der CDU in Baden Württemberg, Thomas Strobl, hält seine Partei für Rückständig: „
Es gebe „gesellschaftliche Megatrends“, welche die Union in ihre Programmatik aufnehmen müsse. Die Stärke der Partei sei immer gewesen, dass sie den Menschen nicht vorgeschrieben habe, wie sie zu leben hätten. Dazu müsse sie wieder zurückfinden. Das bedeute auch, dass man sich über Veranstaltungen wie etwa den Christopher Street Day nicht abfällig äußere, sondern sie als selbstverständlichen Teil des Großstadtbildes respektiere.“

Diese Wochen haben sich 20 CDU-Großstadtabgeordnete unter Führung des Frankfurters Matthias Zimmer, die sich eine schwarz-grüne Koalition nach den nächsten Bundestagswahlen wünschen und Ole von Beust als Vorbild für die gesamte Partei sehen. Für sie solle die CDU „dort, wo sie der Unterstützung der grünen Basis bedarf, ein Personalangebot stellen, das glaubwürdig Offenheit für die zentralen Anliegen der Grünen darstellen kann, ohne sich aber als Christdemokrat zu verleugnen“.

Das Zerbröseln des christlichen Profils in dieser Art und Weise ist natürlich nicht neu. Seit vielen Jahren wird den Christdemokraten vorgeworfen, sie unternähmen nichts für einen besseren Schutz der ungeborenen Kinder, für die traditionelle Familie und ihr Widerstand gegen linke Projekte wie eben die Partnerschaften von Homosexuellen sei halbherzig.

Viele versuchen natürlich gegen diese Entwicklung Widerstand zu leisten. Ein „Berliner Kreis der CDU“, bestehen aus Bundes- und Landespolitikern, versucht die konservativen und christlichen Werte in der Partei zu stärken.

Ob sie es schafft, bleibt abzuwarten. Unter Angela Merkel ist die Partei zunehmend zu einer Funktionärspartei verkommen. Praktisch alle politischen Initiativen werden in der Parteizentrale in Berlin angestoßen. Dort haben meist angestellte Funktionäre das Sagen. Wer protestiert, muss stets befürchten, seinen Posten zu verlieren.

Auf diese Weise hat sich die CDU auch zunehmend von etlichen ihrer Wählerschichten entfremdet. Selbst in der katholischen Bevölkerung schmilzt die Identifikation mit den Christdemokraten dahin. Bei den letzten Wahlen sind vor allem viele der „Kern-Katholiken“ gar nicht mehr wählen gegangen.

Daraufhin weist Phillip Mißfelder, Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der Jungen Union und mit einem starken katholischen Profil. Er riet davon ab, als Partei, die vor allem für Solidität stehe, „so lange die Farbe zu wechseln, bis es jedem Bohemien passt“. Ihm sei es lieber, wenn die Union in ihren Hochburgen 65 Prozent hole „als in irgendeinem hippen Stadtteil 15 Prozent“.

Der Protestant Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, versucht bei den Evangelikalen, also bei den konservativen Protestanten die Stimmung zu verbessern indem er sich für einen besseren Lebensschutz bei einer evangelischen Großveranstaltung aussprach.

Insgesamt spürt man in der Partei Konrad Adenauers eine tiefe Verunsicherung und Desorientierung. Die Christdemokraten wissen nicht, wie sie die Menschen christlich-wertorientiert führen sollen, und versuchen, sich permanent an den Zeitgeist anzupassen. Auf diese Weise kann die Entfremdung der klassischen CDU-Wählerschichten nur wachsen, denn sämtliche Umfragen bestätigen, dass sie die Deutschen gerade hinsichtlich Werte und Familie keine Beliebigkeit wünschen, sondern Tradition. Doch gerade hier scheint die CDU ein eklatantes Glaubwürdigkeitsproblem zu haben.