Montag, 12. November 2012

Rufmord-Kampagne gegen den von Malta nominierten EU-Kommissar Tonio Borg/Angriff auf Grundrechte und bürgerliche Freiheiten

Eine ungewöhnlich aggressive Rufmord-Kampagne wird in Brüssel gegen den von Malta nominierten EU-Kommissar Tonio Borg durch Homosexuellen-, Atheisten- und Abtreibungsorganisationen inszeniert, um den Kandidaten bereits vor seiner Anhörung aufgrund seiner persönlichen Haltung in allgemeinen Fragen der Sozialethik zu diskreditieren.

Grundrechte und bürgerliche Freiheiten, wie z.B. das Grundrecht auf Glaubens- Gewissens- und Meinungsfreiheit gelten jedoch für alle Bürger, auch wenn sie Kandidaten für hohe Ämter des öffentlichen Dienstes der EU sind.

Der beigefügte Vermerk der Förderation der katholischen Familienverbände zeigt die bewusste Falschinformation auf und stellt die Faktenlage richtig dar.

Warum bedarf es seines neuen EU-Kommissars?

Der Posten des maltesischen EU-Kommissars ist nach der Amtsenthebung von John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, im noch immer ungeklärten Zusammenhang mit der Überarbeitung der EU-Tabakrichtlinie, vakant. Daher muss die Regierung von Malta einen neuen Kandidaten vorschlagen.

Jeder EU-Mitgliedsstaat stellt einen EU-Kommissar. Die nationalen Regierungen suchen ihren Kandidaten nach eigenen nationalstaatlichen und parteipolitischen Erwägungen aus. Der Präsident der EU-Kommission bestätigt die Nominierung. Der zuständige Fachausschuss des Europäischen Parlaments organisiert eine öffentliche Anhörung, um die fachlichen Qualitäten des Kandidaten für seinen Zuständigkeitsbereich zu prüfen. Nach Empfehlung des Parlaments ernennt der Rat der Europäischen Union den Kandidaten als Mitglied der EU-Kommission.
Malta hat seinen stellv. Ministerpräsidenten und Außenminister Dr. Tonio Borg als EU-Kommissar vorgeschlagen. Tonio Borg ist katholisch und Mitglied der Regierungspartei PN (Europäische Volkspartei, Christdemokraten). 

Welche sind die nächsten Etappen im Europäischen Parlament?

Am Dienstag, dem 13. November 2012, findet die öffentliche Anhörung statt, die gemeinsam von den drei zuständigen Fachausschüssen des EP organisiert wird: “Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“   (ENVI), “Binnenmarkt und Verbraucherschutz”  (IMCO), “Landwirtschaft und ländliche Entwicklung”  (AGRI).

Diese Fachausschüsse sind vom Zuständigkeitsbereich der Generaldirektion “Gesundheit und Verbraucherschutz“ der EU-Kommission betroffen.

Die Anhörung findet in öffentlicher Sitzung von 15h bis 18h statt (Tagesordnung) und wird im Internet übertragen (Webstream). Sie wird in alle Amtssprachen verdolmetscht. Die Anhörung besteht aus Fragen und Antworten (Sitzungsunterlagen).

Im Anschluss an die öffentliche Anhörung beraten die Obleute der Fraktionen der drei Ausschüsse über die Empfehlung für das Plenum. Das Plenum stimmt in der Plenarwoche in Strasbourg im November  über die Annahme des Vorschlags ab.

Der Angriff auf die Grundrechte durch Atheisten-, Homosexuellen- und Abtreibungslobby

Die Europäische Humanistische Föderation (EHF) , die Internationale Lesbian and Gay Association (ILGA-Europa)  und der Internationale Familienplanungsverband (IPPF ) versuchen, die Ernennung des Kandidaten zu verhindern.

In einem am 29. Oktober veröffentlichten Vermerk  haben diese Gruppen unredliche Argumente zusammengestellt. Sie stellen die persönlichen Standpunkte und politischen Aktivitäten des Kandidaten in seinem Mitgliedsstaat verzerrt dar. Sie berufen sich heuchlerisch auf den gemeinschaftsrechtlichen Besitzstand, um ein vermeintliches Grundrecht auf Abtreibung und „Homo-Ehe“ zu begründen. Auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Kandidaten wird infrage gestellt.

European Humanist Federation President Pierre Galand:
“We believe that this candidacy is clearly damaging for Europe and seriously concerning for the quality of health services enjoyed by those millions of European citizens. There are serious doubts as to whether Mr Tonio Borg shares this commitment. As Minister of Justice in Malta, he repeatedly and vigorously opposed women’s sexual and reproductive rights and even campaigned in 2004 to constitutionalize the abortion ban in his home country. In 2011, he also strongly opposed the legalization of divorce in Malta. In addition, he has openly expressed contempt for the LGBT community and opposed the recognition of the rights of homosexual co-habiting couples in the Maltese Parliament in 2009. Finally, as Home Affairs Minister, he clearly failed to protect the rights of illegal migrants.”

European Parliament LGBT Intergroup, ILGA Europe and IPPF:
“Tonio Borg’s views on abortion, homosexuality and divorce are staunchly conservative and outdated. While not necessarily on topics of EU competence, he views his strong opinions as ‘issues of conscience’, which would prevent him from being an impartial commissioner—especially with the public health portfolio.”

Der Deutsche Humanistische Verband  sieht in der Nominierung eine “Schande für Europa” und beruft sich in seinem Online-Journal „Diesseits“   darauf, dass selbst die Vereinten Nationen die Nominierung von Tonio Borg verurteilten: „Die Europäische Humanistische Föderation (EHF) (…) und das UN-Flüchtlingshilfswerk protestierten umgehend gegen die Nominierung und riefen die EU-Parlamentarier auf, Borgs Nominierung die Zustimmung zu verweigern.“ 

Richtig ist: Das UN-Flüchtlingshilfswerk hat die Nominierungen der EU-Kommission nicht bewertet, weil es dafür nicht zuständig ist. Der Bezug auf die Vereinten Nationen ist unredlich und frei erfunden!

Weitere Argumente des Deutschen Humanistischen Verbands: Borg ist Jesuitenschüler und strenggläubiger Katholik, klarer Gegner gesellschaftlicher Liberalität, für ein striktes Abtreibungsverbot und  gegen die Legalisierung von Scheidungen, gegen homosexuelle Zuwanderer, gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften.
Richtig ist jedoch: 

1.    Grundrechte und bürgerliche Freiheiten, wie z. Bsp. die Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit gelten auch für ein designiertes Mitglied der EU-Kommission aus Malta. Glaubens- und Gewissensfreiheit sind Grundwerte für alle Bürger der Europäischen Union.
2.    Die persönlichen Meinungen eines Kandidaten zu Homo-Ehe und Abtreibung sind für seine Eignung als EU-Kommissar irrelevant. Die Institutionen der EU haben keinerlei Zuständigkeit, die Familie zu definieren, bzw. Abtreibung zu erlauben oder zu verbieten. Die Definition der Familie oder die nationalstaatlichen Regelungen zur Abtreibung, Familienrecht und Strafrecht fallen in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten.
 3.    Atheisten, Homosexuellen- und Abtreibungs-Verbände manipulieren die öffentliche Meinung mit einer aggressiven Rufmordkampagne. Sie sind intolerant und diskriminieren politische Entscheidungsträger wegen ihrer Haltung in gesellschaftspolitischen Fragen, die klar außerhalb der Zuständigkeit der EU liegen.
4.    Die u.a. auch von der katholischen Soziallehre geprägte allgemeine Sozialethik wird als „mit europäischen Werten unvereinbar“ dargestellt. Folgte man dieser Auffassung, dann wären christliche Werte in der Politik ein Hindernis, um hohe öffentliche Ämter in der EU auszuüben.

Die falschen Beschuldigungen im Detail

Glaubens- und Gewissensfreiheit

Die Charter der Grundrechte der Europäischen Union  sagt:
Präambel: Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten (…) bei
Artikel 10: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit: (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.

Diese Grundrechte gelten auch für designierte Kommissionsmitglieder. Der Vorwurf der Atheisten ist haltlos.

Der “Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder”  ((2011) 2094) sieht vor:
Kommissionsmitgliedern ist die aktive Mitgliedschaft in nationalen und europäischen Parteien oder Gewerkschaften gestattet, sofern ihre Arbeit für die Kommission bzw. ihre Unabhängigkeit im Amt hierdurch nicht beeinträchtigt wird. (…) Es wird von Kommissionsmitgliedern erwartet, die Entscheidungen des Kollegiums zu verteidigen und zu unterstützen. Ihre Pflichten gegenüber der Kommission gehen Verpflichtungen gegenüber einer Partei vor. (...) Das Recht der Kommissionsmitglieder auf freie Meinungsäußerung bleibt unberührt”

Der designierte Kandidat hat in seinen Antworten auf die Fragen der MdEP  ganz klar seine Absicht zum Ausdruck gebracht, den Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder zu respektieren.

Schutz des ungeborenen Lebens

Der Internationale Familienplanungsverband IPPF wirft dem Kandidaten vor, gegen Abtreibung zu sein und ein veraltetes Konzept des menschlichen Embryos aufrechtzuerhalten.

Fakt ist: Die Regelung der Legalisierung oder Strafbarkeit der Abtreibung ist keine Kompetenz der EU.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in Ausübung seiner für die gesamte EU verbindlichen Rechtsprechungskompetenz festgestellt, dass ab dem Zeitpunkt der Befruchtung einer menschlichen Eizelle ein „menschlicher Embryo“ vorliegt. Der menschliche Embryo ist durch die Biopatent-Richtlinie gegen jede Form der Kommerzialisierung geschützt, weil ihm Menschenwürde zukommt. Dass dem menschlichen Embryo ab der Befruchtung Menschenwürde zukommt ist daher ein EU-weit geltender Rechtsstandard, und nicht eine „extremistische“ Sondermeinung.

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 18. Oktober 2011, C-34/10 Oliver Brüstle gegen Greenpeace eV.

Leitsatz des Grundsatzurteils: Jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an, jede unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und jede unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist, ist ein „menschlicher Embryo“.

Abtreibung ist keine EU-Zuständigkeit

Die Befürchtung, dass Tonio Borg sein Amt dazu ausnützen werde, Abtreibung auf europäischer Ebene zu beschränken,  ist unbegründet, weil der Politikbereich „Abtreibung“ nicht in den Zuständigkeitsbereich der EU fällt. Regelungen zum Zugang zu Abtreibung und Geburtenregelung fallen stattdessen in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Selbst wenn er dies wollte, könnte Her Borg kein EU-weites Abtreibungsverbot erlassen.

Gemeinschaftsrechtlicher Besitzstand: ”Die Kommission spricht sich weder für noch gegen Abtreibungen aus, da es für diesen Bereich keine Gemeinschafts-vorschriften gibt.”

Parlamentarische Anfrage, 2. Dezember 2011, E-009068/2011
Antwort von Vizepräsidentin Reding im Namen der Kommission
Die Kommission nimmt die nationalen Unterschiede in der Politikgestaltung und der Gesetzgebung im Bereich der Abtreibung zur Kenntnis. Gemäß dem EU-Vertrag hat die Europäische Union keine Zuständigkeit im Politikbereich der Abtreibung auf nationalstaatlicher Ebene und kann daher nicht den Mitgliedsstaaten in diesem Politikfeld Vorschriften erteilen. Die Kommission hat keinerlei Studien über die Konsequenzen von Abtreibung in den Mitgliedsstaaten finanziert.
Parlamentarische Anfrage an den Rat, 30. November 2009, E-5125/2009,
Antwort der Ratspräsidentschaft
Der Rat weist darauf hin, dass die Frage der Abtreibung in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten liegt, da der Handlungsrahmen der Gemeinschaft im Bereich Gesundheit durch Artikel 152 EGV genau eingegrenzt ist.
Parlamentarische Anfrage an die Kommission, 11. September 2007, E-3087/2007
Antwort von Vizepräsident Frattini im Namen der Kommission
Die Legalisierung von Abtreibung liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, die allein für die Gesetzgebung in diesem Politikbereich zuständig sind.
Anfrage an die Kommission, H-0239/07, Plenardebatte, Donnerstag, 26. April 2007
Die Kommission spricht sich weder für noch gegen Abtreibungen aus, da es für diesen Bereich keine Gemeinschaftsvorschriften gibt.
Parlamentarische Anfrage an den Rat, 19. März 2007, E-4955/2006, Antwort
Was das Recht auf Abtreibung betrifft, so teilt der Rat mit, dass die Frage der Abtreibung aus rechtlicher Sicht in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fällt.
Parlamentarische Anfrage, 6. April 2006, E-0720/2006
Antwort von Vizepräsident Frattini im Namen der Kommission
Die Gemeinschaft besitzt keinerlei Zuständigkeit für die Gesetzgebung in denen vom Abgeordneten genannten Bereichen, wie Abtreibung, Euthanasie oder ”Flugzeugstatistiken.” Sie muss indes strikt das Subsidiaritätsprinzip einhalten.

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Die Homosexuellen-Bewegung beschuldigt Herrn Borg, dass er als Mitglied der maltesischen Regierung auf eine unrichtige Umsetzung der „Freizügigkeitsrichtlinie“  hingewirkt habe. Die Kommission habe deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta beim EuGH angestrengt. Diese Behauptungen sind falsch.

Richtig ist vielmehr, dass Malta die Richtlinie korrekt umgesetzt hat. Die Freizügigkeits-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Die zuständige Vizepräsidentin Frau Reding erklärte dazu ausdrücklich in einer Plenardebatte des EP: „Die Frage der gegenseitigen Anerkennung von Eheschließungen fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Um die Richtlinie korrekt umzusetzen, müssen die Mitgliedsstaaten nicht die Problematik gleichgeschlechtlicher Lebenspartner-schaften berücksichtigen.“ Deswegen gab es auch kein Vertragsverletzungsverfahren.

Die Definition der Ehe gehört nicht zu den Aufgaben der EU, sondern ist ein ausschließlicher Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten.

Charta der Grundrechte der Europäischen Union , Art. 9 - Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen: Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.
EUV Art 81-3, Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen
(…) Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug werden vom Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Dieser beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einen Beschluss erlassen, durch den die Aspekte des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug bestimmt werden, die Gegenstand von Rechtsakten sein können, die gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments. Der in Unterabsatz 2 genannte Vorschlag wird den nationalen Parlamenten übermittelt. Wird dieser Vorschlag innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung von einem nationalen Parlament abgelehnt, so wird der Beschluss nicht erlassen. Wird der Vorschlag nicht abgelehnt, so kann der Rat den Beschluss erlassen.
Vizepräsidentin Viviane Reding erklärt den Anwendungsbereich der Frezügigkeits-Richtlinie in einer Plenardebatte im EP am 22. Mai 2012
The question of recognition of marriages does not fall within the scope of the Free Movement Directive. In order to apply it correctly, Member States do not need to address the recognition of same-sex unions. They need simply to grant entry and residence to the couples in question and to their family members, including spouses and partners, irrespective of their sexual orientation. This means that (…) the host Member State is under no obligation to recognise the marriage under its national law.
Parlamentarische Anfrage, 2. Juli 2010, P-4250/2010
Antwort von Frau Reding im Namen der Kommission
"No existing EU legal instrument or adopted Commission proposal in the area of judicial cooperation in civil matters contains a definition of ‘marriage’. If the term ‘marriage’ is needed to be interpreted for the purposes of applying an EU legal instrument in the area of judicial cooperation in civil matters, it would be for the courts in the Member States and ultimately the Court of Justice of the European Union to interpret this term."

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte
Maria Hildingsson, FAFCE Generalsekretärin