Mittwoch, 10. Oktober 2012

Medizin-Nobelpreise 2012: Wird es einst auch Wunschkinder aus Hautzellen geben?

Image of Edith Breburda Dr. med. Edith Breburda

Zwei Wissenschaftler werden für ihre wegweisenden Arbeiten mit dem Nobelpreis geehrt:
Ausdifferenzierte Zellen, in ihrem Fall Hautzellen, konnten in pluripotente embryonalähnliche Stammzellen reprogrammiert werden. 

Ein Verfahren, das Alternativen für  humane embryonale Stammzellen bietet, bei deren Gewinnung der Embryo getötet würde. Selbst routinierte Forscher benötigen zur Erzeugung einer einzigen Stammzellinie bis zu 30 Embryos. 
 
Die Arbeit des Briten Gurdon und des Japaners Shinya Yamanaka – der in dem Jahr geboren wurde, als Gurdon seine Entdeckung machte – weckt Hoffnungen, in Zukunft Krankheiten wie Parkinson oder Diabetes mit Zellen des eigenen Körpers heilen zu können. 

Gurdon (79 J.) und Yamanaka (50 J.) haben gezeigt, wie man pluripotente Stammzellen herstellt, ohne dass man Embryos dafür töten muss. 

Weil induzierte pluripotente Zellen ethisch weitaus weniger bedenklich sind, wird ihnen eine grosse Zukunft vorausgesagt. 

Trotzdem wird mit humanen embryonalen Stammzellen für Vergleichszwecke weiter geforscht. Sie bleiben der Goldstandard. Stammzellforscher hoffen, eines Tages so weit zu sein, aus pluripotenten  Stammzellen ausdifferenzierte Körperzellen  -  wie z. B. Nieren oder Nervenzellen  – herstellen zu können. 

2007 hatten Yamanka und der US-Tiermediziner der Universität von  Madison, Prof. J. Thomson, unabhängig voneinander ihre Entdeckungen verkündet, Hautzellen zu Stammzellen reprogrammiert zu haben. 

Man wundert sich, warum  nicht auch Thomson den Nobelpreis erhielt:
“Yamanaka machte die Entdeckung an Mäusen ein Jahr vor mir. Er hat somit einen Präzedenzfall geschaffen”, erklärte Prof.  Thomson dem Wisconsin State Journal bereits 2008.

“Gurdons und Yamanaka’s mutige Experimente fordern die wissenschaftliche Grundlagenforschung heraus”, sagte Doug Melton, Co-Direktor des Harvard-Stammzellen-Instituts in Boston. 

Das Nobelpreis-Komitee in Stockholm bezeichnet die Arbeiten als revolutionär, da sie das Verständnis für das Zellwachstum und die Organismenbildung selbst erweitern. 

Gurdon zeigte 1962, wie man aus Froschhautzellen neue Kaulquappen klonen kann. Ein Prozeß, der 1997 angewendet wurde, um das Schaf Dolly zu klonen. 

Gurdon erklärt Reportern in London gegenüber, seine Entdeckung habe damals keinen klaren therapeutischen Einfluß gehabt, sie diente auch nicht einer Behandlung. Es dauerte fast 50 Jahre, bevor ein potentieller Nutzen daraus entstand. 

Erst 2007 nutzte Yamanaka und sein Team das gleiche “Rezept” und zeigten, dass Mäuse-Hautzellen in pluripotente Stammzellen zurückgebildet werden können, aus denen nun wieder  alle verschiedene Zellarten entwickelt werden könnten (vgl. K. und M. Ritter, Nobel Prize Stem cell, cloning work take honors Wisconsin State Journal 9. Oktober 2012).

Letzte Woche berichteten Wissenschaftler aus Kyoto über Mäuse-Hautzellen, die sie so manipulierten, dass diese wieder zu Eizellen werden. Eingepflanzt in eine Leihmutter entstanden Mäuse-Babys. 

Ein derartiges Verfahren könnte der Fruchtbarkeitsbehandlung zugute kommen, berichten die Zeitungen. Man bediente sich der induzierten pluripotenten Methode des Japaners Shinya Yamanaka.

Forscher entnahmen eine Hautzelle und drehten den Entwicklungsvorgang ihres Zellkerns zurück. Die ausdifferenzierte Hautzelle wurde reprogrammiert. 

Hautzellen sind ausgereift und diploid. Man kann sagen, die Zeituhr im Zellkern einer Hautzelle wird einfach zurückgesetzt. Allerdings ist man bis jetzt nicht in der Lage, soweit zurück zu gehen, dass die Zellen wieder haploid werden, d.h. so haploid wie der Kern einer Ei- und Samenzelle. 

Wissenschaftler der Kyoto-Universität in Japan berichteten am 4. 10. 2012 im Science Magazin online über das Mäuse-Experiment: Sie reprogrammierten Hautzellen von Mäusen bis zu dem Stadium, wo sie embryonalen Zellen ähnlich sind, d..h. den Zellen, die man einem Embryo am 5. Tag seiner Entwicklung entnimmt und ihn dabei abtötet. 

Da man aber nicht weiss, wie man derartige pluripotente Zellen, die man entweder einem Embryo entnimmt oder zurück programmiert, wieder neu entwickelt,  bedient man sich eines Tricks:

Die Wissenschaftler von Kyoto vermischten die reprogrammierten Zellen mit Mäuse-Eierstockzellen und implantierten dieses Gemisch in den Eierstock von Mäusen. Nach 4 Wochen entnahmen sie das Eierstock-Gewebe wieder und hatten so unreife Eizellen gewonnen. 

Diese liess man im Labor nachreifen, mit Samenzellen von Mäusen befruchten und in ein surrogates Muttertier einpflanzen. 3 Mäuse-Babys wurden so gewonnen. Diese wiederum wurden normal befruchtet und warfen dementsprechend Jungtiere.

Ein derartiges Verfahren macht man sich generell zunutze, damit sich aus pluripotenten embryonalen oder induzierten Stammzellen verschiedene Zelltypen entwickeln. 

Vereinfacht gesagt: Wenn man z.B. eine Nierenzelle haben will, implantiert man humane embryonale Stammzellen in die Niere einer Maus und läßt das umgebende Organ die Arbeit tun (siehe das Buch “Verheißungen der neuesten Biotechnologien”, Kindle E-Book). 

Dr. Katsuhiko Hayashi, ein Mitarbeiter der japanischen Studie räumt ein, dass das Verfahren viel zu mühselig und ineffizient ist, um bei Menschen angewandt zu  werden.

Von der Maus zum Menschen ist ein langer Weg. Man weiss, dass Verfahren, die erfolgreich bei der Maus wirken, nicht beim Menschen arbeiten – oder dort gerade das Gegenteil bewirken (vgl. “Promises of New Biotechnologies”, ISBN, Ean 13 0615548288 / 9780615548289).

“Das Ganze bleibt wahrscheinlich nur eine Vision der Technik”, sagt Dr. Hayashi:  

“Die biologischen Unterschiede werden wir nie überwinden. Auch wenn wir als Ausgansmaterial Hautzellen nehmen und diese zurückentwickeln, müssen wir generell mehr darüber wissen, wie Eizellen gebildet werden  – und das ist immer noch ein Mysterium”.

Die Schwierigkeiten sind sehr groß. Viele Wissenschaftler zweifeln, ob sie diese jemals überwinden können. Andere sind wiederum optimistischer -  oder utopischer? 

Man spekuliert, dass man auf diese Weise Millionen von Frauen zum eigenen Kind verhelfen könnte. Der biologischen Uhr der Frau, wie auch ihrer Unfruchtbarkeit könnte man damit entgegenwirken. Technische wie auch ethische Gründe lassen allerdings daran zweifeln, ob ein derartiges Verfahren in naher Zukunft realisiert werden kann.

Dr. Greely, Juraprofessor in Standford, glaubt, dass wir in 20 bis 40 Jahren soweit sind:
“Ehepaare, die bestimmte Eigenschaften in ihren Kindern haben wollen, müssen sich nicht mehr der gefahrvollen Prozedur der eigenen Eizellgewinnung unterziehen, sondern nehmen lieber eine Hautzelle. In Zukunft werden so Eizellen gewonnen und auf genetische Defekte analysiert. So wird man viel besser wählen können, welches Kind man sich einpflanzen läßt. Auch erwünschte Eigenschaften wie blaue Augen oder sportliche Talente könnten ausgewählt werden”.

Debra Mathews vom bioethischen Institut John Hopkins Berman bezweifelt, dass jemals ein Markt für derartige Verfahren vorzufinden sein wird:

“Und die Menschen werden auch nicht aufhören, Geschlechtsverkehr zu haben. Ich würde die Sicherheit der Methode in Frage stellen”, gibt Lawrence Goldstein, Direktor des Stammzellforschungs-Programms der Universität von Kalifornien in San Diego zu bedenken. “Es sieht aus, als würden wir an solchen Kindern herumexperimentieren”.