Donnerstag, 8. Dezember 2011

Voodoo - die Religion des magischen Horrors - macht sich auch in Deutschland breit

Felizitas Küble, Leiterin des KOMM-MIT-Jugendverlags und des Christoferuswerks in Münster

Als Papst Benedikt XVI. Mitte November 2011 das afrikanische Land Benin besuchte, war er auch mit dem Voodoo-Kult konfrontiert, denn dieser heidnische Spiritismus ist dort amtlich als Religion anerkannt.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche hat sich freilich dieser „Lage“ nicht angepaßt, er hat das offene Wort angesichts dieser Herausforderung nicht gescheut, sondern das Evangelium ausdrücklich als Befreiung vom Okkulten und als Sieg über die „bösen Geister“ bezeichnet, als er im Seminar St. Gallus in Ouidah sprach.

Dabei verwarf der Papst durchaus nicht alle vor- oder außerchristlichen Traditionen. Eine vorsichtige Inkulturation hat die Kirche seit Jahrtausenden stets gutgeheißen und auch praktiziert; abgelehnt wurde jedoch der Synkretismus, wobei Religionsvermischungen mitunter schillernd und daher nicht sofort als solche erkennbar sind, gerade auch im Zusammenhang mit Voodoo.

Das Christentum ist eine umfassende Wahrheit, daher kann es auch all jenes umfassen, was in anderen Weltanschauungen, Philosophien und Traditionen gut und richtig ist. Dies ist Bestandteil einer offenherzigen Liebe zur Wahrheit, aber auch zu den Menschen, die Christus nähergeführt werden sollen.

Daher stellte der Papst klar: „Diese Liebe begünstigt die korrekte Integration der authentischen Werte der Kulturen in den christlichen Glauben.“ - Eine solche Haltung sei zugleich ein wirksames Gegenmittel gegen den Synkretismus, wie Papst Benedikt erläuterte.

Zur aufrichtigen und konsequenten Evangelisierung gehört gleichwohl auch die Abwehr des Irrgeistigen, Heidnischen und Abergläubischen in nichtchristlichen Religionen und Kulturen. „Religion“ ist eben nicht von vornherein etwas Gutes und Wahres; gerade sie kann sehr wohl auch auf Abwege führen.

Die Faszination des Bösen entfaltet sich auch und gerade im „religiösen“ Bereich, sofern der Mensch nicht durch Gottes Offenbarung erleuchtet ist. Das zeigt auch die okkulte Welle, die seit längerem unser Land und die westliche Zivilisation prägt.

„Neuer Hexenglaube“, Spiritismus, schwarz- und weißmagische Praktiken, fernöstliche Meditation, Astrologie und sonstige „übersinnliche“ Phänomene sind gang und gäbe.

Die Überbetonung des Verstandes durch die „Aufklärung“ und ihre Steigerung im Rationalismus wird zunehmend durch das entgegengesetzte Extrem verdrängt: eine „vagabundierende Religiosität“, ein freischwebender, unverbindlicher „Glaube“ ohne Dogmatik, ohne festes Normensystem, ohne konfessionelle Bindung.

Im Mittelpunkt steht hierbei die Befriedigung religiöser Bedürfnisse, die Erfüllung einer metaphysischen Sehnsucht, die der Mensch auf Dauer kaum zu unterdrücken vermag. Wer sein religiöses „Grundgefühl“ mit bloßem Rationalismus, mit dürrem Verstandeswissen allein konfrontiert, gibt ihm Steine statt Brot.

Doch eine emotionale „Erfahrungs-Religion“ bedeutet, daß man auf der anderen Seite vom Pferd fällt: hier scheut man die dogmatische Klarheit des geoffenbarten Glaubens und die eherne Verbindlichkeit sittlicher Gebote. Daher wohl der zunehmende Siegeszug esoterischer und okkulter Ersatzreligionen.

Der Okkultismus – wörtlich: Geheimwissenschaft, verborgene Lehre – ist ein schillerndes Gebilde mit unterschiedlichen Schattierungen. Der harte Kern besteht freilich aus der Magie. Zauberei ist freilich mehr als unsinniger „Hokuspokus“ wie etwa die abergläubische Angst vor der Zahl 13 oder schwarzen Katzen.

Magie beruht wesentlich auf dem allzumenschlichen Verlangen, mit der Welt des Außernatürlichen in Kontakt zu kommen. Motiv ist meist die Neugier, doch dies nicht allein. Letztlich geht es darum, die Mächte des übersinnlichen in den Griff zu bekommen, sich ihrer zu bemächtigen, sie für eigene Wünsche und Interessen einzuspannen, also die Welt des vermeintlich „Göttlichen“ zu vereinnahmen, sie unter Kontrolle zu bekommen.

Während sich der wahrhaft christliche Mensch demutsvoll in den Dienst Gottes stellt, möchte der magische Mensch das „Göttliche“ in seinen eigenen Dienst stellen. Mit anderen Worten: Der Gläubige betet: „Dein Wille geschehe!“, der Magische denkt: „Mein Wille geschehe!“

Magisches Denken und okkulte Rituale sind also mit der christlichen Religion grundsätzlich unvereinbar, Glaube und Aberglaube schließen sich strikt aus.

Ist weiße Magie harmlos?

Dennoch ist die Verwirrung mitunter auch in den eigenen Reihen groß, denn das Spektrum der Zauberei teilt sich in eine schwarze und eine scheinbar helle, harmlose, „weiße“ Magie.

Selbst unter Christen hält man diese „weiße Magie“ mitunter für erlaubt, „wenn es nur hilft“, als ob der Zweck die Mittel heiligen würde – man denke etwa an das „Besprechen“ von Krankheiten durch scheinreligiöse Beschwörungsformeln bzw. esoterische Praktiken wie Hellseherei, Pendeln oder pfingstlerisch-„charismatische“ Methoden einer vermeintlichen „Geistausgießung“.

Bei der Verharmlosung der „weißen“ Magie wird oft übersehen, daß sich der schwarze und der weiße Zauber zwar dem Anschein nach unterscheiden, daß sie jedoch aus derselben heidnischen Quelle gespeist werden, nämlich dem anmaßenden Versuch, die Kräfte der „Übernatur“ im eigenen Interesse zu beeinflussen, zu steuern und zu vereinnahmen.

Der wahre Gott freilich läßt sich in keiner Weise durch den Menschen „instrumentalisieren“ und „in den Dienst nehmen“. ER ist der Allmächtige und läßt sich nicht „bemächtigen“, man kann ihn auch nicht durch Zauberformeln oder gewisse Praktiken herbeizitieren. Dasselbe gilt für die Engel und Heiligen, für die gesamte himmlische Welt.

Abgesehen davon sind die Grenzen zwischen schwarzer und weißer Magie in der Praxis ohnehin fließend. Dies ist nur konsequent und systemimmanent, es liegt in der Sache selbst begründet, weil beide Formen letztlich aus demselben Geist bzw Ungeist stammen, von der gleichen heidnischen Gesinnung herrühren. Also „hilft“ die weiße Magie nicht weiter, dann versucht man es eben mit der „schwarzen“ – frei bzw unfrei nach der Devise: „Hauptsache gesund“ bzw. „wer heilt, hat recht“. Wer jedoch mit dem Feuer spielt, landet schnell im Gefängnis des Okkulten, der Finsternismächte, der satanischen Gegenwelt.

Eine solche „Zwischenzone“ bildet vor allem der Spiritismus, also die Kontakt-Aufnahme mit „Geistern“. Selbst wenn sich hier Geister, die „gerufen“ werden, als „Verstorbene“ ausgeben, so ist dies ein diabolisches Täuschungsmanöver, denn jene überirdische Welt, die sich in Gottes Gnadenbereich befindet (wozu auch das Purgatorium, das Fegefeuer gehört), läßt sich nicht vom Menschen her steuern, dirigieren, herbeirufen, manipulieren etc.

Die Zauberei besitzt also ein schillerndes, verführerisches Doppelgesicht – und beide Gesichtshälften sind entschieden abzulehnen und zu meiden, denn der Aberglaube ist das Zerrbild des wahren Glaubens - und für Christen durchaus gefährlicher als der Unglaube, zumal dieser als solcher sogleich erkannt wird, der Aberglaube aber gerne hinter einer „religiösen“ Maske agiert.

Dieser Irrweg ist beileibe nicht neu, auch nicht neuzeitlich. Bereits im Alten Bund warnte der Ewige vor den damals gängigen magischen Praktiken: „Es soll in Deiner Mitte kein Wahrsager, Zeichendeuter, Schlangenbeschwörer oder Zauberer, kein Bannsprecher oder Geisterbeschwörer gefunden werden; keiner, der Wahrsagegeister befragt oder sich an die Toten wendet, denn jeder, der solches tut, ist dem HERRN ein Greuel.“ (5 Mose 18,10-12)

Während in unserer westlichen Welt der weißmagische, esoterische Irrweg vorherrscht, findet man in heidnischen Gefilden (auch in solchen, die sich mit christlichen Elementen vermischt haben) vielfach schwarze bis schwärzeste Magie, also Zauberei, Geisterglaube und Dämonenkult.

Die „Spitze des Eisbergs“ ist hier – neben dem direkten Satanismus – der vor allem in Afrika und Lateinamerika weitverbreitete Voodoo-Kult: hier zeigt die Zauberei relativ deutlich ihre Schattenseiten und damit ihr wahres Gesicht.

Voodoo enthält zwar durchaus auch weißmagische Elemente, doch die schwarzmagischen überwiegen. Es mag etwas makaber klingen, doch dieser Sachverhalt hat immerhin den Vorteil der Klarheit, wogegen weiße Magie und westliche Esoterik im Gewand des Harmlosen oder gar des „Himmlischen“ erscheinen.

Der afro-karibische Voodoo-Kult scheint zunächst weit weg: in Westafrika eben – und ansonsten vor allem auf Haiti, dem Inselstaat in der Karibik, dem Ozean östlich von Mittel- und Südamerika. Dennoch ist das Thema nicht zu vernachlässigen, inhaltlich ist es keineswegs „weit weg“: zum einen wegen der prinzipiellen Ablehnung der Zauberei, zum anderen wegen jener Liebäugelei mit dem Voodoo, die auch im Westen immer mehr um sich greift, teils aus Neugier bzw.Tändeln mit fremdartigen oder „horrenden“ Elementen (vor allem im Rock-Pop-Spektrum), teils aus magischer Faszination.

Horrorfilm „Das Ritual“ liebäugelt mit Voodoo

Ähnliches gilt fürs Kino: Ende der 80er Jahre konnte zB. der Horrorfilm „Das Ritual“ von John Schlesinger erstaunliche Erfolge einfahren. Mit seinem Brutalo-Streifen wollte der Regisseur keineswegs vom Voodookult abschrecken oder davor warnen; vielmehr nutzte er die Faszination des Bösen und Abgründigen als lockenden Schockeffekt für die Zuschauer.

Die „Tagespost“ kritisierte den Film damals wegen seiner „Sucht nach Terror“ und stellte fest: „Die Szenen sind grausam und schrecklich, von frenetischer Angst und brutalster Kaltblütigkeit, anscheinend geboren aus einem praktizierenden Wissen um geheime Mächte und die Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu kommen.“

„Das Ritual“ lieferte Okkultismus in Reinkultur, betrieb Schleichwerbung für den scheinbar weißmagischen Santeria-Kult (einer lateinamerikanischen Variante des Voodoo) -und nahm gegenüber dämonischen Voodoo-Ritualen eine gefährlich schillernde Haltung ein, geprägt von Faszination und Angst.

John Schlesinger äußerte sich gegenüber der Filmzeitschrift „Ultimo“ (Dezember 1987) wie folgt über seinen Gruselschocker:

„Die Riten des Santeria-Kults wirken auf mich sehr überzeugend…Ich nehme zum Voodoo-Kult mit Sicherheit eine sehr ambivalente Haltung ein. Natürlich denke ich, daß man alle Arten von Glauben erlauben sollte. Man muß sehen, daß Liebe und Angst nur gemeinsam den Glauben ermöglichen.“

Der Regisseur plädiert also für Toleranz gegenüber schwarzer Magie (in seinem Film kommen immerhin mehrere Ritualmorde vor) – doch die „Angst“, die seiner Meinung nach durch die katholische Kirche erzeugt werde, lehnt er entschieden ab:

„In der katholischen Kirche wird immer wieder mit der Angst einfacher Menschen gespielt: wer nicht regelmäßig zur Beichte geht, wird in die Hölle kommen. Diese Angst ist ein Teil der Macht, die der Katholizismus besitzt. Ich persönlich halte das nicht für fair.“

Ganz in diesem Sinne bzw Unsinne trägt dieser in sich widersprüchliche Artikel den Titel: „Der unfaire Katholizismus.“

Wenn Menschen von heute sich in puncto Voodoo nicht gründlich auskennen, werden sie sich möglicherweise von solchen oder ähnlichen Sirenenklängen verführen lassen, so daß es sinnvoll erscheint, näher auf dieses Ritual aus der Finsternis einzugehen.

Der geographische Ursprung des Voodoo liegt in Westafrika. Seit Jahrhunderten existiert dort die Yoruba-Magie mit ihrem Glauben an die Orixas, an Geister, Götter und Dämonen. Im dortigen Ritual offenbart sich jene typisch heidnische Einstellung, die zwischen Furcht und Faszination vor den Geistern hin- und hergerissen ist und die Geisterwelt daher in den Griff bekommen möchte, um sie „unschädlich“ zu machen, ja für eigene Wünsche einzuspannen.

Zu Yoruba gehören abergläubische Ängste vor dem fluchbeladenen „bösen Blick“, der den Tod zur Folge haben könne (gemilderte Vorstellungen hiervon findet man allerdings auch etwa in Italien bis in die Gegenwart hinein), sodann „Heilungen“ durch Geisterkräfte, Fluch und Abwehrzauber, Dämonenbeschwörungen, Geisteranrufungen etc.

Diese Yoruba-Magie gelangte vor allem durch den Sklavenhandel europäischer Kolonialmächte nach Lateinamerika und in die Karibik. Besonders in Brasilien und Haitii verbreitete sich dieser Polytheismus und Spiritismus sehr stark, teils vermischt mit indianischen und/oder auch „katholischen“ Elementen, so daß ein synkretistisches Gebilde entstand, dem nicht wenige Taufscheinkatholiken dort verfallen sind.

Dieser verhängnisvolle Synkretismus treibt vor allem in Brasilien, dem „größten katholischen Land der Erde“, wie gerne gerühmt wird, seit Jahrhunderten seine Sumpfblüten. So wird am 31. Dezember nicht das Andenken an Papst Silvester oder lediglich das weltliche Jahres-Ende gefeiert, sondern die heidnische Göttin Iemanja.

Der Bundesstaat Rio de Janeiro dürfte wohl das einzige „christliche“ Land der Welt sein, das sogar amtlich einen Feiertag für eine „Göttin“ einführte. Der Verordnung von „oben“ entspricht die Begeisterung von „unten“ (in des Wortes doppelter Bedeutung): Die heidnische Göttin Iemanja wird im „katholischen“ Brasilien nämlich euphorisch gefeiert.

Geisterglaube und Zauberei sind in Brasilien an der Tagesordnung. Aus dem Sachbuch „Heilen und Schamanismus“ (Sphinx-Verlag) erfährt man, daß auch gebildete Schichten der Magie frönen und das Christentum allenfalls äußerlich angenommen haben: „Selbst die brasilianische Oberschicht glaubt an Geister. Obwohl Brasilien ein Land frommer Christen ist, leben die Gedanken und Gefühle der afrikanischen Orixas in seinen Urwäldern und Städten weiter.“ (S. 73)

Der ursprünglich westafrikanische Yoruba-Kult wurde dann in seinem „Exportland“ Haiti als „Voodoo“ bezeichnet – dies ist zugleich der heutige Sammelbegriff für diese Art magischer Rituale. In Brasilien spricht man von „Umbanda“, gemeint ist dasselbe.

Das feministisch-neuheidnische Buch „Die Schwestern der Venus“ (Nymphenburger-Verlag), das sich über „Die Frau in den Mythen und Religionen ausbreitet“, verhehlt nicht seine Befriedigung darüber, daß in Brasilien letztlich der Göttinnenkult siegte, nicht der biblische geoffenbarte Glaube:

„Viele Millionen Brasilianer - selbst wenn sie sich Katholiken nennen und gelegentlich in die Kirche gehen – sind überzeugte Anhänger des Umbanda-Kultes.“ (S.347)

„Isis lebt mitten unter uns“

Noch triumphalistischer klingt die Kunde vom Siegeszug der Göttin Iemenja: „die Tatsache der Herrschaft einer weißen „heidnischen“ Göttin inmitten eines christlich-katholischen Landes ist ein frappantes Beispiel für die fortwirkende Anziehungskraft der polytheistischen Weltschau unserer Voreltern.(…) Isis lebt mitten unter uns.“ (S.352)

Offenbar hat in Brasilien nicht so sehr der christliche Glaube das Heidentum „geschluckt“, sondern eher umgekehrt. Vom Katholischen bleibt vielfach nur die Maske, im besten Fall äußerliches Brauchtum übrig. Dieses jedoch ist durchaus nicht harmlos, keine volkstümliche Folklore, wenn es dazu dient, magische Mythen und Zeremonien quasi zu schmücken.

Der feministische Jubel „Isis lebt mitten unter uns“ kommt nicht von ungefähr: die altägyptische „Himmelsgöttin“ Isis findet seit Jahrtausenden im Kult der Iemanja ihre westafrikanische Entsprechung. Schwarzafrikaner verehren mit dieser merkwürdigerweise weißhäutigen Göttin die allgewaltige „Herrscherin der Meere“, wobei dieser Kult der Iemanja im Zentrum dortigen Heidentums steht – und nicht etwa einen Randbezirk bildet.

Den portugiesischen Kolonisatoren genügte es in der Regel, wenn die afrikanischen Sklaven, die sie nach Lateinamerika verschleppten, äußerlich den katholischen Glauben annahmen. Folglich ging nicht das Heidentum im Christentum auf (wie bei der Christianisierung der Germanen), sondern umgekehrt: der christliche Glaube bietet vielfach nur die Hülle für den heidnischen Inhalt. Dies wurde kirchlicherseits weitgehend hingenommen in der irrigen Annahme, daß sich das Problem im Laufe der Zeit von selber regeln bzw bessern würde.

Den westafrikanischen Sklaven wiederum gelang es recht einfach, die indianischen Ureinwohner mit ihrem Voodoo-Yoruba-Kult zu beeinflussen: schließlich trafen sich zwei Varianten des Heidentums, zwei Gesichter der einen Magie. – Ureinwohner und Schwarze gingen fortan sonntags in die Kirche, weil es die Kolonisatoren verlangten, doch während der Woche übten sie ihre Zauberpraktiken aus wie eh und je. Um jedoch kirchlichen oder staatlichen Strafen zu entgehen, wurden Götter und Geister kurzerhand christlich „getauft“.

Die frommen Masken des Heidentums

Die Orixas erhielten vielfach die Namen von Heiligen. Eine bunte Schar von Geistern wurde „christianisiert“: man verehrt diverse „Geistführer“, wobei Christus einer von vielen ist – und in Umbanda-Tempeln mitunter einen „Ehrenplatz“ erhält. Die Göttin Iemanja wurde zur „Jungfrau Maria“ umgedichtet oder ihr dazugesellt: in den Armenvierteln Brasiliens findet man oft beide Gestalten als Gipsfiguren nebeneinander.

Ogun, der „Gott der Waffen“, wurde zum heiligen Georg umfunktioniert. Legba, den Geist, der die Eingänge bewacht, verehrte man nunmehr als heiligen Petrus an der Himmelstüre. Aus Obatala, dem „Gott“ des Alls, wurde der Himmelsvater des Christentums usw. Doch die christlichen Gestalten dienen nur als Tünche, bestenfalls als „Nebengötter“, die man großzügig mitlaufen läßt.

Dieser scheinkatholische „Doppel-Kult“ ist nicht nur in Lateinamerika und auf den karibischen Inseln verbreitet, sondern durchaus auch in den USA; dort spricht man von Santeria.

Laut „Ethos“ (Nr. 3/1988) gibt es allein in New York eine Viertelmillion Santeria-Anhänger. Wie der Name schon vermuten läßt, geht es - scheinbar - um Heilige, in Wirklichkeit freilich um Götter und Geister.

Eben dieser Kult wird im bereits erwähnten Horrorfilm „Das Ritual“ wohlwollend dargestellt. Das Santeria ist eine Kombination von Voodoo, indianischem Heidentum, weißer Magie, Spiritismus und scheinkatholischen Elementen, das in US-Großstädten durchaus Erfolge verbucht, z.B. in New Orleans (US-Bundesstaat Loisiana).

Diese Ausläufer sind allerdings kein Vergleich mit der Tiefenwirkung magischer Kulte in Brasilien. Dort gehört vor allem der Spiritismus zum Alltag.

Eine wissenschaftliche Expedition zur Erforschung des Schamanismus gelangte zu folgendem Ergebnis: „Astralreisen, „automatisches Schreiben“, Inkorporation von Geistern gedeihen seit 15 Generationen in Brasilien, weshalb sie ihren exotischen Charakter verloren haben und als ganz natürlich empfunden werden“, wie es im Doku-Band „Heilen und Schamanismus“ von Stanley Kripper heißt (S. 74).

Darin wird auch vom beliebten Iemanja-Kult berichtet: Dieser „Göttin der Meere“ sind unzählige Tempel geweiht. In der Nähe von Recife steht er direkt neben der katholischen Kathedrale, die von weniger Menschen besucht wird als der heidnische Tempel (vgl. S. 86).

Iemanja wird dort und anderswo meist als sinnliche junge Frau mit enganliegendem, langen Kleid dargestellt: weiße Haut, schwarze oder algengrüne Haare, blaue Augen, Perlen in den Händen und eine Krone auf dem Haupt; die Gestalt insgesamt nicht frei von erotischer Faszination. Jeder kann sich die mächtige Göttin als schönste aller Frauen ausmalen.

In Brasilien ist jeder Samstag Iemanja geweiht – und nicht etwa der Gottesmutter.

Typisch für heidnisches Denken ist der Glaube an die Willkür und Unberechenbarkeit der Göttin. Sicherlich ist auch im geoffenbarten Christentum der Allmächtige letztlich ein undurchdringliches Geheimnis, aber gleichwohl in moralischer Hinsicht einschätzbar, denn er belohnt das Gute und bestraft das Böse.

Heidnische Götter sind hingegen ihrer Art nach launenhaft. Daher versucht man, sie durch Rituale und Zeremonien, durch Beschwörungsformeln und Zauberkünste „gnädig“ und geneigt zu stimmen und so ihr Wohlwollen zu sichern.

Auch Iemanja besitzt eine typisch heidnische „Doppelnatur“: sie kann – wie man glaubt – vor Unglück schützen und in jeder Weise helfen, wenn sie will; zugleich aber ist sie rachsüchtig, grausam und mitleidslos. Krankheiten, Mißerfolge und Schicksalsschläge betrachtet man als Laune oder Vergeltung dieser unheimlichen und zugleich faszinierenden „Herrscherin der Meere“.

Also nicht obwohl, sondern weil sie so „gefährlich“ werden kann, wird Iemanja überschwänglich verehrt, um sie so zu besänftigen. Um sie in gute Stimmung zu versetzen, opfert man ihr wertvolle Gaben (Schmuck, Haustiere etc). Dies geschieht an „ihrem“ Samstag – und besonders am 31. Dezember, ihrem rauschhaft begangenen Jubelfest.

Allein an den Stränden von Rio versammeln sich am Jahresende hunderttausende Menschen, um sich in den Kult der Iemanja einzureihen. Mehrere Millionen feiern die Meeresgöttin an der 800 km langen Küste Brasiliens. Das Fest beginnt mit rhythmischen Gesängen, Trommelklang und ekstatischen Tänzen. Die Umbanda-Zauberpriester stechen mit den Schiffen in See.

(Der Voodoo-Kult kennt durchaus auch „Priesterinnen“ – und zwar in der Candomble-Bewegung. Der männliche Zweig ist das Umbanda-Ritual. Beide entstammen der afrikanischen Orixas-Magie, dem Geisteraberglauben also.)

Wenn nun die Schiffe losfahren, rufen, singen und tanzen die zum Teil in Ekstase geratenen Menschen an den Stränden. Danach wird der Göttin geopfert, meist Schmuck oder lebende Tiere (Tauben, Hähnchen oder Ziegen) werden in die Fluten geworfen. Je bedeutsamer die Gabe, desto stärker sei die Gunst der Meeresgöttin, mutmaßt der Volks(aber)glaube dort.

Iemenja wird durchaus nicht als holde Jungfrau verehrt, auch nicht als Mutter (man sieht sie nie mit Kind dargestellt), sondern als liebestolle „Große Göttin“, die sich gerne und heftig verliebt und ihre männlichen Verehrer zu sich in den Meeresgrund hinabzieht. Ihr erster Liebhaber soll Oxala – eine hochgestellte „Gottheit“ - gewesen sein.

Aus dieser Verbindung soll dann die ganze Welt einschließlich der weiteren zahlreichen Götter hervorgegangen sein. Daher gilt Iemanja als „Allmutter“, als Quelle der Schöpfung ähnlich den antiken Vorstellungen von einer allmächtigen „Großen Göttin“.

Heidnische Magie beruht auf dem gegenseitigen (!) Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Göttern und den Menschen. Aus Voodoo-Sicht werden Orixas wiederbelebt, indem sie ein „Medium“ besitzen, sich also in einen Menschen inkorporieren, von ihm – etwa im ekstatischen Tanz oder bei Opfer-Ritualen - Besitz ergreifen.

Demzufolge wirkt also auch der Mensch auf die Lebendigkeit der Götter ein, er „erschafft“ diese gewissermaßen selber. Doch sobald sie – durch menschliche Hilfe – richtig vital werden, entfalten sie eine Eigendynamik, toben also ihre Götterlaunen aus; diese wiederum versucht der Magier, durch Zeremonien und Beschwörungen in die von ihm selber gewünschten Bahnen zu lenken, sie zu kanalisieren.

So wird die heftige Angst vor den Geistern durch „Zuckerbrot und Peitsche“, durch Opfer und Abwehrzauber scheinbar „gebannt“, aber nie wirklich überwunden. Zauber und Abwehrzauber befinden sich innerhalb desselben magischen Systems.

Allein die göttliche Offenbarung selbst, die Botschaft des Ewigen, der christliche Glaube vermag diese unheimlichen Ängste wirksam zu überwinden, denn Christus ist gekommen, „um die Werke des Teufels zu zerstören“ (1 Joh 3,8).