Montag, 27. Juni 2011

Schulpolitische Wende der CDU vom dreigliedrigen zum zweigliedrigen Schulsystem

Felizitas Küble, Leiterin des KOMM-MIT-Jugend-Verlags und des Christoferuswerks in Münster

Die CDU, die sich jahrzehntelang für die Erhaltung des dreigliedrigen Schulsystems (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) stark gemacht hat, ist mittlerweile dabei, wesentliche bildungspolitische Positionen aufzugeben:

Die Christdemokraten favorisieren nunmehr ein zweigliedriges Modell von Gymnasium einerseits und verbundener Haupt- und Realschule andererseits, wobei dieses Verbundsystem von lokalen Verhältnissen ausgeht: Haupt- und Realschule können unter Umständen zwar jeweils selbständig bleiben, doch die bisherige „Bestandsgarantie“ für Hauptschulen entfällt, obwohl sie in einigen Bundesländern Verfassungsrang einnimmt. Damit strebt die CDU mittelfristig das Ende der Hauptschule an.

Die einzige im Bundestag vertretene Partei, die sich weitgehend zum dreigliedrigen Schulsystem bekennt, ist nunmehr die FDP, die zugleich am deutlichsten gegen die von Rot-Grün und Linkspartei vorangetriebenen sozialistischen Schulmodelle (Gesamtschule, Einheitsschule, Gemeinschaftsschule) eintritt.

Die CDU spricht neuerdings nicht mehr – wie früher - von der Erhaltung des „bewährten dreigliedrigen Schulsystems“, sondern verwendet jetzt gerne den verschwommenen Begriff vom „differenzierten“ Schulsystem.

In Nordrhein-Westfalen strebt die CDU einen „Schulkonsens“ mit der rot-grünen Landesregierung an mit der Begründung: „Wir brauchen in NRW nach Jahrzehnten der schulpolitischen Auseinandersetzung endlich einen Schulfrieden.“

SPD und Grüne hatten auf die Gesprächsangebote der CDU zunächst nicht reagiert - und dann überraschend alle Parteien zu „Konsensgesprächen“ eingeladen - einschließlich der Linkspartei.

Die CDU lehnt es jedoch ab, sich mit Kommunisten quasi an einen runden Tisch zu setzen, was derzeit zu Schlagzeilen in der Presse führt, zumal sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen gegenüber der Rheinischen Post sehr eindeutig äußerte: „Für uns gibt es eine Grenzlinie. Wir machen keine Politik mit Altkommunisten und Sektierern – weder in Nordrhein-Westfalen noch sonst irgendwo.“

Diese CDU-Aussagen sind sicherlich erfreulich und führen zu Kopfnicken von bürgerlicher und konservativer Seite. Doch die markigen Worte gegen die Linkspartei vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die CDU einen Teil ihrer inhaltlichen Positionen bereits geräumt hat.

Immerhin lehnen die Christdemokraten in NRW unter ihrem Landesvorsitzenden Norbert Röttgen und Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann die von Rot-Grün angestrebte und teils rechtswidrig durchgesetzte Gemeinschaftsschule derzeit (noch?) ab.

Unlängst mußte die Düsseldorfer Minderheitsregierung eine herbe Niederlage hinnehmen, weil das Oberwaltungsgericht Münster die Genehmigung für eine Gemeinschaftsschule im sauerländischen Finnentrop als „rechtswidrig“ ablehnte - und nicht versäumte, hinzuzufügen, daß auch die weiteren bereits erteilen Genehmigungen für diese Schulform rechtswidrig seien.

Daraufhin hat die rotgrüne Landesregierung wohl oder übel ihre Genehmigung für die Gemeinschaftsschule in Blankenheim-Nettersheim zurückgezogen. Zwei Hauptschulen und eine Realschule bleiben dort also bestehen. Damit siegte eine Klage des Salvatorianer-Ordens, der ein Gymnasium in Steinfeld betreibt.

Nach dem Nein des nordhrein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zur Gemeinschaftsschule fordern CDU und FDP von der rotgrünen Landesregierung, jede weitere Einrichtung von Gemeinschaftsschulen zu stoppen. Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Düsseldorf, Dr. Thomas Sternberg,
forderte Schulministerin Sylvia Löhrmann öffentlich auf: „Stellen Sie das unausgegorene Projekt der Gemeinschaftsschule zurück.“

Noch schärfer reagierte FDP-Schulexpertin Ingrid Pieper von Heiden: Löhrmann habe das Parlament austricksen wollen, denn es sei der rotgrünen Landesregierung durchaus nicht, wie von ihr behauptet, nur um einen „Schulversuch“ gegangen, sondern darum, möglichst schnell viele Gemeinschaftsschulen durchzusetzen.

Das Grundprinzip der Gemeinschaftsschule ist das sogenannte „längere gemeinsame Lernen“ der Schüler und die „flexible“ Kooperation verschiedener Schularten. Das „gemeinsame Lernen“ soll - je nachdem - bis zur 6. oder 8. oder auch 10. Klasse anstehen.

Danach soll es mit einem gegliederten Bildungsweg oder der Einheitsschule bzw. Gesamtschule weitergehen, wobei Rot-Grün eine Weiterführung durch die Einheitsschule anstrebt.

Im Bundesland Berlin hat sich die Regierung aus SPD und Linkspartei darauf verständigt, die Gemeinschaftsschule bis zur 10. Klasse flächendeckend als Regelschule einzuführen. Um die Gemeinschaftsschule voranzutreiben, wurden für dieses Schulmodell 22 Mill. € zusätzlich zur Verfügung gestellt.

In NRW strebt die rotgrüne Minderheitsregierung eine Gemeinschaftsschule bis zur 6. Klasse einschließlich an. Dem widersprechen CDU, FDP und zudem der Philologenverband NRW, der am 16.11.2010 eine rechtliche Expertise vorlegte, in der schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rotgrünen Schulpläne vorgelegt werden, auch mit Hinweis auf Art. 8,2 in Verbindung mit Art. 12 der Landesverfassung, die eine institutionelle Garantie der Hauptschule als eigenständigen Bildungsgang beinhalten.

Im Bundesland Sachsen gab es hingegen ein Zurück zum bewährten dreigliedrigen Schulsystem durch CDU und FDP: Nach Amtsantritt im Herbst 2009 beschloß die schwarz-gelbe Staatsregierung, den vorher seit 2006 praktizierten „Schulversuch“ in Richtung Gemeinschaftsschule auslaufen zu lassen.

Vermutlich spielt in Sachen der schulpolitische Druck der FDP eine gewisse Rolle, denn anderswo reagiert die CDU weniger konsequent, wie die „Rheinische Post“ vom vom 23. Juni 2011 berichtet:

„Die CDU hatte ihre Bereitschaft bekundet, den Verfassungsrang der Hauptschule zu tilgen, um die von Rot-Grün favorisierte Gemeinschaftsschule rechtlich abzusichern. Im Gegenzug müsse es aber Garantien für die Realschule und das Gymnasium geben.“

Im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ erklärte der nordrhein-westfälische CDU-Chef Röttgen: „Einen Weg in einen Einheitsschule werden wir nicht mitgehen.“

CDU befürwortet Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen

Das trifft sicherlich zu, vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Christdemokraten das jahrzehntelang vertretene dreigliedrige Schulsystem zugunsten eines zweigliedrigen (Realschule, Gymnasium) aufgeben. Röttgen hierzu:

„Wir treten dafür ein, daß bewährte Schulen und Schulformen erhalten bleiben. Das sind vor allem die Realschule und die Gymnasien; das gilt aber auch für solche Hauptschulen, die vor Ort akzeptiert sind und angenommen werden. Da, wo es gewollte wird, sollen Haupt- und Realschulen zusammengelegt werden können.“

Die Folge einer solcher Zusammenlegung wäre aber, daß die Realschüler vor gewissen „Verhältnissen“, wie sie in Hauptschulen mitunter gang und gäbe sind, nicht mehr geschützt sind. Das gilt vor allem für großstädtische Hauptschulen mit einem hohem „Migranten-Anteil“: im Falle eines Schulverbunds wäre das qualifizierte Lernen der Realschüler durch die häufigen sprachlichen und sonstigen Defizite von Ausländerkindern erheblich beeinträchtigt.

Die nordrhein-westfälische CDU hatte bereits im März 2011 auf ihrem Landesparteitag in Siegen beschlossen, auf die Bestandsgarantie für Hauptschulen zu verzichten, wobei als Begründung auf zurückgehende Schülerzahlen verwiesen wurde.

Daß die CDU - und im Saarland erstaunlicherweise auch die FDP - ihre bisherigen schulpolitischen Positionen nicht mehr aufrechterhalten, zeigt sich besonders deutlich in Saarbrücken:

Dort stimmte die regierende „Jamaika-Koalition“ aus CDU, Grünen und FDP zusammen mit der oppositionellen Linkspartei für eine Verfassungsänderung, wodurch Realschulen und Gesamtschulen ineinander aufgehen bzw zu Gemeinschaftsschulen zusammengelegt werden. Diese sollen künftig die zweite Säule neben dem Gymnasium darstellen, das weiterhin selbständig bleibt. Die oppositionelle SPD hatte sich dieser Verfassungsänderung verweigert, weil sie ihr nicht weit genug ging.