Mittwoch, 27. April 2011

PID-Zulassung und Abtreibung sollten nicht voneinander isoliert betrachtet werden

Der Deutsche Bundestag verhandelt über drei Anträge zur gesetzlichen Regelung der medizinischen Untersuchung künstlich befruchteter Eizellen. Zwei Anträge fordern eine eingegrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID), ein Antrag fordert ein Verbot von PID.

Viele Befürworter der Untersuchung argumentieren, es sei widersinnig, PID zu verbieten, wenn der Embryo später ohnehin abgetrieben werden kann.

Die Abtreibungsregelung ist also offenbar für die Parlamentarier die Norm für die ethische Evaluation von PID. Selten hinterfragen sie aber, ob die Straffreiheit der Abtreibung richtig ist oder nicht. Für die Befürworter von PID ist der ungehinderte Zugang zu einer Abtreibung offenbar für alle Zeiten festgelegt und es darf nicht daran gerüttelt werden. Mit dieser Gewißheit im Rücken beurteilen sie weitere Fragen hinsichtlich des Lebensrechts, die aufkommen. Zur Zeit ist es eben die PID, dessen einziger Sinn die Überprüfung der Gesundheit des Embryos vor seiner Einpflanzung ist. Würde eine Krankheit festgestellt, könnte nur entschieden werden, auf die Einpflanzung zu verzichten und den Embryo zu entsorgen.

Besonders absurd argumentierte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Ein völliges Verbot stünde im Widerspruch zum bereits geltenden Fortpflanzungsrecht. Diese Argumentation ist bedenklich, da der Begriff Fortpflanzungsrecht im juristischen Sinne gar nicht existiert, obwohl er in supranationalen Institutionen Europas oder in den Vereinten Nationen immer wieder verwendet wird. Für die Bundesjustizministerin wäre eine Zulassung von PID eine logische Folge der getroffenen Regelungen zur Abtreibung aus dem Jahr 1995. Dass damals die Abtreibung weiterhin als illegal eingestuft wurde – gleichwohl straffrei – spielt für die FDP-Frau offenbar keine Rolle in der Beurteilung von PID.

Ähnlich argumentierten Krista Sager (Grüne) und Frank-Walter Steinmeier (SPD): Man könne nicht Abtreibung zulassen und PID verbieten.

Bedauerlicherweise gehen die Gegner der PID kaum auf das abwegige Argument ein, PID solle erlaubt sein, da sich das Baby ja später ohnehin abtreiben ließe. Man würde sich mehr Entschlossenheit von diesen Angeordneten wünschen. Sie könnten ja den Spieß einfach umdrehen und erwidern: „Wenn die PID verboten ist oder verboten sein soll, dann, bitteschön, auch die Abtreibung“. Doch das tun sie nicht, weil sie wohl befürchten, daß dadurch erst recht viele für die Zulassung von PID stimmen würden.

Psychologisch gesehen, haben sich die Gegner von PID damit abgefunden, dass in Deutschland das Recht auf Leben mißachtet wird. Denn das müßte eigentlich debattiert werden: Ab wann soll jemandem dieses Recht zuerkannt werden? Ist der deutsche Staat noch in der Lage, das uneingeschränkte Recht auf Leben aller Menschen zu schützen? Will unser Staat das überhaupt? Diese Frage wird aber in dieser Deutlichkeit nicht im Plenarsaal des Bundestags gestellt, weil man sich zwangsläufig über die Abtreibung unterhalten müßte. Das ist unseren Parlamentariern aber zu lästig. Bei der Debatte um die PID redet man im Grunde genommen um den heißen Brei herum.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1993 die Abgeordneten gemahnt, sie müßten den § 218 StGB, der die Abtreibung regelt, „nachbessern“, falls die neue Regelung – Fristenlösung mit Beratungspflicht – nicht zu geringeren Abtreibungszahlen führt. Eigentlich wollte das Bundesverfassungsgericht verhindern, daß im Bundestag eine Friedhofsruhe einkehrt und sich die Politiker nicht mehr mit diesem wichtigen Anliegen beschäftigen. Aber mehr als diese Mahnung kam aus Karlsruhe nicht. Seitdem haben sich die Obersten Richter der Republik nicht mehr dazu geäußert und auch nicht die Abgeordneten an ihre „Nachbesserungspflicht“ erinnert.

Somit bleibt es den Lebensrechtlern überlassen, die Stimme der Ungeborenen und das Gewissen der Nation zu sein. Nur aus der Basis der Gesellschaft sind die Impulse zu erwarten, die zu einer entscheidenden Verbesserung der Achtung des Lebensrechts der Ungeborenen führen könnten. Das Thema Abtreibung ist seit der Neufassung des § 218 immer wieder in der Öffentlichkeit und manchmal auch im Bundestag (z.B. Spätabtreibungen) debattiert worden und erfreulicherweise haben etliche Abgeordnete und sonstige Politiker die richtige Position vertreten und sich für das Leben und gegen den Tod eingesetzt. Doch dass es zu diesen Debatten kam, war nur möglich, weil sich Menschen im vorpolitischen Raum, in den Vereinen, in den öffentlichen Demonstrationen, an den Unterschriftensammlungen beteiligt oder weil sie an die Politiker Postkarten und Briefe verschickt haben. Diese Menschen haben es ermöglicht, dass sich keine Friedhofsruhe einstellte und daß die laufende Debatte über die Zulassung von PID derart in allen Medien ausführlich behandelt wird.