Dienstag, 2. November 2010

FAZ kritisiert scharf PID-Dissidenten in der CDU

In einem langen Artikel mit dem Titel „Behinderung kann kein Kriterium sein“ geht die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. November 2010 hart ins Gericht mit dem Initiativantrag für den CDU Parteitag Mitte November 2010 von Staatssekretär Peter Hintze (CDU). Beantragt wird eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) im Falle von schweren genetischen Vorbelastungen bei den Eltern. Hintzes Antrag wird von Bundesarbeitsministerin von der Leyen und Familienministerin Schröder unterstützt. Kurz zuvor hatte sich Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel für ein Verbot von PID ausgesprochen. Schon auf dem Bundesparteitag der CDU 2007 wurde schon ein Verbot beschlossen.

Der Antrag von Hintze, Leyen, Schröder & Co. lautet: „Die Präimplantationsdiagnostik sollte für Fälle von schwerer erblicher Vorbelastung der betroffenen Eltern in den vom Bundesgerichtshof gezogenen Grenzen weiter zulässig bleiben."

Die FAZ notiert, daß die Antragsteller sorgfältig vermieden haben, zu definieren, ob PID Behinderung oder Krankheit verhindern sollte. Hätte nämlich das Wort Behinderung im Text gestanden, wäre der Antrag nicht mit der Antidiskriminierungsgesetzgebung zu vereinbaren.

Tatsächlich wird in der Rechtssprechung zwischen Behinderung und Krankheit unterschieden. Während eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung untersagt wird, geschieht das im Falle von Krankheit nicht. Der wesentliche Unterschied in der Definition ist, daß Behinderung eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert, d.h., es geht um die Reaktion der Gesellschaft auf eine Einschränkung. Im Falle eines gesundheitlichen Problems geht es um die Gesundheit an sich. Die Antidiskriminierungsgesetze wollen das Verhältnis zwischen der allgemeinen Gesellschaft und bestimmten Gruppen regeln, um Benachteiligungen dieser zu beseitigen.

Dennoch läuft Hintzes Antrag laut FAZ auf eine Diskriminierung von Behinderten hinaus und verstößt gegen die Antidiskriminierungsgesetze: „Die schweren "erblichen Vorbelastungen", die in dem CDU-Antrag thematisiert werden, knüpfen daher - insbesondere auch mit Blick auf die Konsequenz, die aus ihrer Entdeckung gezogen werden soll: nämlich Embryonen, bei denen sich diese Folgen der Vorbelastung zeigen, nicht einzusetzen - an eine Behinderung an und diskriminieren den entsprechenden Embryo auch wegen dieser Behinderung. Es geht hier also weder um eine bloße Verhütung von Krankheiten noch um ein Verfahren, das unterschiedslos auf alle Embryonen angewendet werden würde, sondern um eine Selektion von Embryonen gerade wegen ihrer Behinderung.

Der Artikel erläutert, daß schon bei der Diskussion um die Eugenische Indikation (§ 218a StGB), die 1995 in Kraft trat, der Gesetzgeber einen Trick anwenden mußte, um das Problem der Diskriminierung zu umgehen. Es ging darum, eine Begründung für die Spätabtreibungen, also die Abtreibungen bis unmittelbar vor der Geburt, zu finden. Fast immer geht es um ungeborene Kinder, bei denen eine Behinderung oder ein sonstiger Schaden festgestellt wird. Die Behinderung durfte aber – rein theoretisch - nicht der Grund für die Abtreibung sein. Und das hat sich der Gesetzgeber ausgedacht: „Der aktuelle Paragraph 218a StGB thematisiert - zumindest seinem Wortlaut nach - deswegen auch nicht, ob der Embryo eine Behinderung hat oder nicht; die Rechtswidrigkeit wird nur ausgeschlossen, wenn durch den Abbruch der Schwangerschaft eine anders nicht abzuwendende Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren abzuwenden ist. Dass in der Praxis recht schnell angenommen wird, die Behinderung eines Kindes beeinträchtige die seelische Gesundheit der Mutter, wird immer wieder kritisiert und ist gerade in der Auseinandersetzung um Spätabtreibungen ein gewichtiges Argument.“

Die FAZ kritisiert ebenso, daß Hintze & Co dem Leipziger Bundesgerichtshof den Schwarzen Peter zuschiebt, der in einer Entscheidung im Sommer einen Fall von PID unbestraft lies. Die CDUler argumentieren, das Gericht ließe gar nichts anderes zu, als eine Liberalisierung von PID durchzuführen. Das stimmt aber nicht. Die Richter haben damals erklärt, daß das Embryonenschutzgesetz für den damals vorliegenden Fall die PID nicht ausdrücklich verbietet. Eine eindeutige gesetzliche Regelung wäre deshalb wünschenswert. Die Leipziger Richter haben also von der Politik eine Entscheidung gefordert – Hintze, von der Leyen und Schröder versuchen nun, den Spieß umzudrehen.

Der Antrag an den CDU-Parteitag will PID im Falle einer „schweren“ Belastung zulassen. Doch wann ist eine solche vorhanden? Kann man diese überhaupt feststellen? Man müßte im Grunde genommen ein Katalog von Belastungen und Behinderungen aufstellen, die als „schwer“ gelten. Das wäre aber nichts anderes, als Diskriminierung.