Sonntag, 19. September 2010

Debatte um das CDU-Profil: Angela Merkels Gespräch mit der FAZ

Seit Wochen kommen fast stündliche Stellungnahmen von CDU-Politikern, die eine energische Integration von Zuwanderern oder mehr konservative Facetten im öffentlichen Erscheinungsbild der Partei fordern.

Nun bemüht sich auch die Bundesvorsitzende der CDU, Bundeskanzlerin Angela Merkel, der deutschen Christdemokratie ein klareres Profil zu geben. Sie erläutert in einem langen Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 18. September 2010, wofür sie steht.

Auf die Frage, was zum konservativen Kern der CDU gehört, antwortet sie: „Dazu gehören die Bundeswehr, die Bereitschaft, unsere Freiheit zu verteidigen, natürlich die Soziale Marktwirtschaft, das Bekenntnis zur europäischen Einigung, dazu gehören die enge Freundschaft mit Amerika, der Schutz von Ehe und Familie.“

Jeder wertkonservative Mensch stellt sofort fest, daß sie nicht das Lebensrecht der Ungeborenen erwähnt. In diesem Punkt wird sie aber am meisten von den Lebensrechtlern angegriffen. Ihr Einsatz für die Verschiebung des Stichtages für den Import von Stammzellen liegt immer noch schwer im Magen.

Rein aus wahltaktischen Überlegungen ist es ein Fehler, nicht auf die Lebensrechtler zuzugehen, denn der Kampf gegen die Abtreibung ist der gemeinsame Nenner der relativ heterogenen Gruppe von Konservativen. Für die meisten Konservativen, zumal für wertkonservative und christlich-konservative Wähler, ist die Einstellung zum Lebensrecht der Ungeborenen der Gradmesser eines Politikers.

Seltsam sind die Aussagen Merkels über die Familie, das zweitwichtigste Thema der Christkonservativen. Sie sagt: „Familie heißt für uns, dauerhafte Bindungen einzugehen und dauerhaft Verantwortung zu übernehmen, Eltern für Kinder und Kinder für Eltern. Der besondere Schutz von Ehe und Familie gilt. Daran rütteln wir nicht, auch wenn wir akzeptieren und respektieren, dass auch in anderen Partnerschaften Werte gelebt werden.“

Das ist eigentlich starker Tobak, denn die Definition, die sie von Familie gibt, ist nicht mehr an die Institution Ehe gebunden. Jedenfalls wird diese nicht erwähnt. Dadurch bleibt völlig unklar, was für Merkel die von ihr erwähnten „anderen Partnerschaften“ sind. Etwa solche, die nicht dauerhaft sind? Dem würden auch SPD und Grüne zustimmen. Für die SPD ist Familie dort, wo es Kinder gibt. Ist für die CDU oder zumindest für Frau Merkel Familie dort, wo es „Dauerhaftigkeit“ gibt, was immer das sein möge? Dann wären Homosexuelle, die eine eingetragene Partnerschaft eingehen (Vulgo Homo-Ehe) auch eine Ehe. So etwas würde Frau Merkel sicherlich nicht öffentlich sagen. Doch von einer christlich-demokratischen Bundesvorsitzenden hätte man schon mehr Präzision beim Familienbegriff erwartet.

Konkreter wird es im Thema Integration. „Mit Strenge“ solle man mit den zehn bis fünfzehn Prozent Integrationsunwilligen umgehen. Das paßt genau zum Geschmack der Mehrheit, wie sich im Zuge der Sarrazin-Debatte gezeigt hat, und ist auch das was von anderen Ländern, insbesondere Frankreich und Italien, schon praktiziert wird.

Mit Eigenlob spart sie nicht: „Das Thema Integration ist mir seit langem ein Herzensanliegen. CDU und CSU waren es, die dafür gesorgt haben, dass die naive Multikulti-Haltung von Rot-Grün überwunden wurde.“ Diesen Eindruck geben manche CDU-Ortsbezirke wie beispielsweise Frankfurt am Main oder Offenbach nicht gerade. Aber vielleicht ändert die gegenwärtige Integrations-Debatte tatsächlich da einiges, nachdem sich selbst die SPD etwas von Multi-Kulti distanziert hat, zumindest verbal.