Mittwoch, 23. Juni 2010

„Moralische Panikmache“ zeigt Wirkung: Statistiken bestätigen Ansehensverlust der katholischen Kirche

Die geballte, einseitige und haßerfüllte Berichterstattung in vielen Medien über Mißbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen wirkt sich mittlerweile in den Statistiken aus.

In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Juni 2010 schreibt Professor Dr. Renate Kocher, Geschäftsführerin des Allensbacher Instituts für Demoskopie: „Die breite Berichterstattung über Kindesmissbrauch hat in weiten Teilen der Bevölkerung zu dem Eindruck geführt, dass es sich um ein in der katholischen Kirche weitverbreitetes Phänomen handelt. Obwohl die berichteten Fälle eine kleine Minderheit der Priester betreffen und überwiegend Jahrzehnte zurückliegen, halten heute 47 Prozent der gesamten Bevölkerung Kindesmissbrauch durch katholische Priester für häufig, während nur 36 Prozent von einem Fehlverhalten einer Minderheit ausgehen. Allein unter Katholiken geht eine relative Mehrheit davon aus, dass es sich um ein Minderheitsphänomen handelt, während Protestanten und insbesondere Konfessionslose von einem in der katholischen Kirche weitverbreiteten Problem ausgehen.“

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: „Der Anteil der Bevölkerung, der der Kirche allgemein zutraut, in moralischen Fragen Orientierung zu geben, ist seit 2005 von 35 auf 23 Prozent gesunken, allein zwischen März und Juni dieses Jahres von 29 auf 23 Prozent. Zugleich ist die Überzeugung schwächer geworden, dass von den Kirchen Antworten auf Sinnfragen zu erwarten sind. 2005 waren davon noch 50 Prozent der Bevölkerung überzeugt, im März dieses Jahres 45 Prozent, jetzt 38 Prozent. Solche Veränderungen sind binnen einer so kurzen Frist von nur knapp drei Monaten ungewöhnlich.“

69 % der Bevölkerung hat sich mit anderen Menschen über das Thema Mißbrauch unterhalten, eine enorm hohe Zahl.

Allerdings geben die Befragten an, daß das Mißbrauchsproblem kein „rein katholisches“ ist. In allen Einrichtungen, die Kinder betreuen, seien diese in Gefahr. 66 % schätzen das Risiko in Kinderheimen besonders als besonders hoch ein, 62 % in den Familien, 59 % in Internaten und immerhin 58 % in kirchlichen Einrichtungen.

Der Anteil der Kirchenmitglieder, die über einen Austritt nachdenken, ist erheblich gestiegen: 33%. 1995 hatten 29 % einen Austritt erwogen, 2005 25 %. Dieses Problem trifft die evangelischen Kirchen wesentlich härter als den Katholiken: Aktuell wollen 4 % der Protestanten und 2 % der Katholiken austreten.

Laut dem FAZ-Bericht ist das größte Problem der Kirchen die ausgeprägte Altersgebundenheit von Religiosität: „Von Leuten über sechzig Jahren beschreiben sich 57 Prozent als religiös, von den Personen unter dreißig dagegen nur 28 Prozent. Alle Indikatoren für Religiosität - ob Glaubensinhalte, der subjektive Stellenwert von Religion im eigenen Leben, das Interesse an religiösen Fragen oder die religiöse Praxis - zeigen die ausgeprägte Altersgebundenheit.“

Der Bericht endet aber mit einem großen Lob für die jungen Menschen, die religiös sind: „Die Minderheit der religiösen jungen Menschen unter 30 Jahren unterscheidet sich in vieler Hinsicht von den religiös indifferenten Altersgenossen: durch eine stärkere Familienhinwendung, ein überdurchschnittliches soziales Verantwortungsgefühl, Aufgeschlossenheit, Bildungsorientierung und eine signifikant größere Bereitschaft, sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen wie mit Fragen nach dem Lebenssinn auseinanderzusetzen, sowie unterdurchschnittlich ausgeprägten Materialismus.“