Dienstag, 9. Februar 2010

Homeschooling: Die Politiker können sich nicht länger um eine Debatte drücken

Die Erziehung der Kinder durch die eigenen Eltern zu Hause, meistens Homeschooling genannt, ist ein Thema, das immer öfters in die Schlagzeilen kommt. Vor wenigen Jahren wurde Homeschooling nur in christlichen Publikationen behandelt, meist evangelikaler Ausrichtung. Das ist längst nicht mehr so.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte am 28. Januar ein großes Bild einer Homeschooler-Familie auf die erste Seite. Es war die Familie Romeike, die in den USA einen Asylantrag gestellt hatte, weil man ihr in Deutschland die Erziehung der Kinder zu Hause nicht gestattete und mit Bußgeldern belegte. Ein Richter im Bundesstaat Tennessee gewährte ihnen das Recht auf politisches Asyl. Diese Nachricht erschien in allen großen Zeitungen in Deutschland und wurde von manchen auch kommentiert. Die FAZ meinte: „Die Romeikes sind nicht die ersten Deutschen, die in den Vereinigten Staaten Asyl erhalten. Und sie sind nicht die einzigen Eltern, die wegen der in Deutschland bestehenden Schulpflicht ans Auswandern denken. Angesichts der schulischen Verhältnisse in manchen Großstädten können sicher viele Eltern den Wunsch nachvollziehen, ihre Kinder selbst zu unterrichten.“ Auch die linksliberale Süddeutsche Zeitung berichtete einigermaßen fair über die Auswanderung der Romeikes.

Proteste gab es seitens des Deutschen Lehrerverbands. Entsprechend des Informationsdienstes Medrum sagte sein Präsident Josef Kraus im Hamburger Abendblatt „Dieses Urteil ist ein Hammer“. Und später: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass ein demokratisches Land wie die USA demokratisch entstandene Gesetze in Deutschland als Verstoß gegen die Menschenrechte ansieht. Jeder demokratische Staat ist legitimiert, sein Schulsystem zu regeln.“

Dagmar Neubronner vom Netzwerk Bildungsfreiheit sagte in einem Interview für die Internetzeitung Freie Welt, Homeschooling sei ein Menschenrecht: „Das Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen und die eigenen Werte an sie weiterzugeben, ist ein sogenanntes Naturrecht, das heißt, es steht vor allem staatlichen Recht und existierte schon immer. Es wird durch Artikel 6 des Grundgesetzes lediglich aufgeführt und benannt, aber nicht neu begründet. Wir leben ja in einer Zeit, in der die staatlichen Eingriffe in die freiheitlichen Rechte des Einzelnen immer massiver werden. Meist wird dies mit Gefahrenabwehr begründet – hundertprozentige Sicherheit kann es natürlich nicht geben, aber für die Illusion der Sicherheit lassen wir uns immer mehr in unseren Freiheiten einschränken. So auch beim Homeschooling: Da die Leistungen freilernender Kinder denen von Schulkindern deutlich überlegen sind, hat man sich darauf verlegt, mit der Sozialisation zu argumentieren.“

Der Verein „Schulerziehung zu Hause“ in Dreieich, der Homeschoolfamilien juristisch beisteht, erklärte zum Fall Romeike am 27. Januar 2010: „Das amerikanische Gericht teilt damit die Rechtsauffassung, die in den meisten Staaten dieser Erde vertreten wird, die der UN-Sonderbeauftragte für das Erziehungswesen, Vernor Munoz, 2007 der Regierung der Bundesrepublik zu beachten angemahnt und die SchuzH seit 10 Jahren in den zahlreichen Hausschulfällen den Schulbehörden und Gerichten sowie Politikern vorträgt.“


Aus katholischer Seite gibt es erstaunlicherweise wenige Stellungnahmen, obwohl die katholische Lehre, etwa in der Enzyklika „Divini illius magistri“ von 1929, in der „Charta der Familienrechte“ von 1983, im neuesten Katechismus und andere, ausdrücklich auf das Erziehungsrecht der Eltern hinweist und sich in Streitpunkten wie etwa die Schulsexualerziehung durch die „Erklärung des Päpstlichen Rates für die Familie“ von 1996 eindeutig auf die Seite der Eltern stellt. Größtes Engagement für die Homeschooler hat bislang das Christopheruswerk von Felizitas Küble gezeigt.

Auch aus der Politik sind kaum Stimmen vernehmbar.

Die Homeschooler stellen die Politik vor einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite ist es Mode geworden, alle möglichen Lebensformen zu respektieren und ihnen Freiräume zu geben, damit sie sich entfalten können. Wieso sollten auch nicht die Homeschooler in den Genuß solcher Freiheiten kommen. Abgesehen davon, ist in kaum einem anderen Land Europas oder gar der Welt die Schulpflicht so rigoros wie in Deutschland. So gesehen macht der Asylantrag der Romeikes für viele Menschen Sinn, denn sie verstehen nicht, wieso gerade in Deutschland der Staat eine solche Gewalt über die Kindererziehung ausübt.

Auf der anderen Seite zeigt die Debatte um das Betreuungsgeld, daß der deutsche Staat den Familien nicht viel zutraut. Anstatt Geld sollen die Familien Gutscheine bekommen, denn ansonsten würden sie das Geld vertrinken oder sonstwie verschwenden.

Dieses Mißtrauen gegenüber den Familien ist aufgrund der mangelnden Integration vieler Ausländer mit den entsprechenden katastrophalen sozialen Folgen enorm gewachsen. Aus diesem Grund werden die Homeschooler nicht nur von linker Seite, die die Bildung „christlicher Fundamentalisten“ befürchtet, kritisiert, sondern auch aus rechter Seite, die der Meinung ist, insbesondere Muslime würden die Kinder zu Hause erziehen und sie für ein Leben in der deutschen Gesellschaft unfähig machen. Dieses Problem ließe sich leicht lösen. In anderen Ländern gibt es die staatliche Kontrolle am Ende eines Zeitraumes. Wenn die Kinder durch die Prüfung fallen, müssen sie in die Schule.

Dennoch geht es hier um Grundsätzliches: Die Eltern sind vor dem Staat die ersten Erziehungsberechtigte. Dieses Recht muß der Staat respektieren. Der Staat darf sich nicht anmaßen - wie das in Deutschland der Fall ist – dieses Recht drastisch zu beschneiden und Kindern selbst Erziehungsinhalte aufzwingen, die höchst umstritten sind, wie beispielsweise die Sexualerziehung. Daß sich viele Eltern deshalb ungerecht behandelt fühlen, ist nur gerechtfertig. Die Politik muß endlich den Eltern entgegenkommen, die mehr Freiheit für die Erziehung ihrer Kinder fordern.