Donnerstag, 16. September 2010

Guttenbergs Buch „Schaut nicht weg!“: antikirchliche Sprüche und oberflächliche Klischees

Felizitas Küble, Leiterin des kath. KOMM-MIT-Jugendverlags in Münster

Daß eine Ministergattin durch ein Sachbuch nicht allein auf ein wichtiges Thema, sondern gerne auch auf sich selber aufmerksam macht (wie schon das Titelbild demonstriert), ist nicht von vornherein zu beanstanden, sofern das Buch inhaltlich fundiert und gewissenhaft erarbeitet ist. Eben dies darf bei der Neuerscheinung „Schaut nicht weg!“ der Stephanie zu Guttenberg mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Man würde ihr die medienwirksame „Schaubühne“ mit Kußhand gönnen, wenn sie ihr 177 Seiten starkes Hochglanz-Werk mit Sachverstand, Fleiß und „deutscher Gründlichkeit“ verfaßt hätte. Doch vielfach plappert sie nach, was anderswo mindestens ebenso gut zu lesen war. Dunkelziffer-Zahlenspiele oder platte Allgemeinplätze werden nicht faktenklarer oder präziser, weil Baronin von Guttenberg sie präsentiert.

Vor allem die Einfälle und Ausfälle der hübschen Adelsdame zur katholischen Kirche dokumentieren ihren Mangel an präziser Sachkenntnis und inhaltlicher Übersicht. „Adel verpflichtet!“, heißt es so schön - verpflichtet er nicht auch zur Fairneß?

Doch offenbar lag der frischgebackenen Autorin die Anpassung an übliche kirchenfeindliche Schablonen und oberflächliche Schlagworte näher als die intensive Beschäftigung mit Daten, Zahlen, Fakten und Zusammenhängen.

Die Vorsitzende des Vereins „Innocence in Danger e.V.“ (Unschuld in Gefahr) will offenbar gern als „moderne Frau“ erscheinen, weshalb ein deutscher Name für einen deutschen Verein vermutlich schlicht zu „altfränkisch“ bzw. einfach nicht „cool“ genug wäre?

Stephanie zu Guttenberg, die Ehefrau des deutschen Verteidigungsministers, knöpft sich in Kapitel 4 ihres Buchs die katholische Kirche vor (von Mißbrauchsfällen im evangelischen Bereich scheint sie noch nichts vernommen zu haben). Dabei läßt sie Weisheiten folgenden Stils vom Stapel:

„Haben wir nicht schon immer geahnt, daß es unter dem klerikalen Mantel des Schweigens in der katholischen Kirche eine große Zahl sexueller Übergriffe auf Kinder und Jugendliche gab, durch Priester, Kapläne, Diakone?“

Abgesehen davon, daß auch „Kapläne“ Priester sind, hat so mancher zwar schon manches „geahnt“, doch sind solche Mutmaßungen kein Ersatz für Tatsachen und Dokumente. Diese belegen nämlich exakt das Gegenteil: Daß katholische Geistliche 36 mal seltener zu Mißbrauchstätern werden als der Männer-Durchschnitt.

Nähere Einzelheiten und Belege wurden von Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber aus Berlin - einem namhaften (übrigens evangelischen) Psychiater und forensischen Fachexperten - bereits im Februar 2010 auf dem Höhepunkt der Mißbrauchs-Kampagne veröffentlicht. Näheres hierzu in dieser Pressemeldung:
http://www.news4press.com/Mi%C3%9Fbrauchs-Zahlen-bei-kath-Priestern-we_514307.html

Weitere „Päpste“ der Gerichtspsychiatrie stimmten Dr. Kröber zu, darunter die Professoren Leygraf (Essen) und Prof. Nedopil (München): sie und weitere namhafte Fachpsychiater lehnen jeden negativen Zusammenhang zwischen Zölibat und Mißbrauch ab - nicht etwa aus Kirchenfreundlichkeit, sondern aufgrund datengestützter Sachkenntnis.

Doch Stephanie zu Guttenberg hält sich lieber auf der Ebene platter Spekulationen auf und fabuliert munter drauflos:

„Haben wir nicht schon immer gewußt, daß gerade die Machtstrukturen der katholischen Kirche und deren teils weltfremde Sexualmoral den sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen durch einzelne Täter erst begünstigten?“

Aber sicher doch: Je strenger die „weltfremde“ Sexualmoral, desto bunter treiben es die Täter! - Mit einer „sinnenfreudigen“ Sexual(un)moral wäre dies also ganz anders? - Frau Baronin belieben zu scherzen! - Haben wir nicht immer schon gewußt, daß Schönheit und Charme durchaus kein Fachwissen ersetzen?

Dies vermißt man in ihrem Buche schmerzlich, zumal es auf dieser Tratschweiber-Tonlage ungehemmt weitergeht: „Daß es so etwas gab, darüber wurde doch schon immer geredet - nur bislang eben hinter vorgehaltener Hand.“

Kurz danach folgt die faustdicke Falschbehauptung: „Wie kommt es, dass in katholischen Institutionen solch eine Häufung von Missbrauchsfällen zu beobachten ist?“

Wie kommt es, daß Stephanie zu Guttenberg ungeprüft nachplappert, was in Sensationsblättern und Straßenblättern an antikirchlicher Stimmungsmache geboten wird?

Wie kommt es überdies, daß die fesche Autorin sich bei ihren Überlegungen zum priesterlichen Zölibat nicht auf sachkundige und erfahrene Experten beruft, daß sie forensisch-psychiatrische Fachmänner übergeht und sich stattdessen auf kuriose Psychogurus und theologische Irrlichter wie Wunibald Müller verläßt: „Wunibald Müller ist mittlerweile nicht der einzige katholische Theologe, der laut über eine Lockerung des Zölibats nachdenkt“, weiß sie zu vermelden. Na und? – Die persönlichen Erleuchtungen eines Wunibald Müller samt Gefolge haben null Beweiskraft.

Langer Besprechung kurzer Sinn: Stephanie zu Guttenberg wäre anzuraten, sich in Zukunft auf Kochbücher, Modefragen oder ähnlich geartete Themenfelder zu konzentrieren, die ihrem geistigen Horizont vermutlich näherstehen.